BEDAUERLICH. DEN MICHELIN STERN GIBT ES NICHT MEHR
Markus Baumgartner ist besessen, besessen von der Kochkunst, besessen davon, alles noch eleganter, noch besser, noch effizienter zu machen. Markus Baumgartner ist geduldig: zu kleine Küche, zu wenig Personal, zu viel auf zu engem Raum: ein Herd, überall nur Enge, die Patisserie unzureichend abgeschirmt an der Seite – alles passiert hier auf ein paar Quadratmeter: die Menüs für die Dreiviertel-Gourmetpension und für das Sternerestaurant ‚Johannesstube‘. Baumgartner geht in seinem Beruf auf, setzt schon mal selbst den Fond auf, schält Kartoffeln, kümmert sich um Kleinkram – so etwas habe ich noch nie bei einem 1 Sterne Koch erlebt- die haben Auszubildende, die das machen, die haben Köche, die sich um Fleisch, Fisch, Gemüse kümmern. Aber: er liebt seinen Beruf, Kochen mit allen Sinnen, kulinarische Kunst erfahrbar machen, Genuss vermitteln, dafür nimmt er vieles in Kauf. Trotzdem: irgendwann ist die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Wenn die Besitzerin des Wellnesshotels ‚Engel‘, Carmen Kohler, erklärt: „ Wir sind stolz, mit Markus Baumgartner einen einheimischen Koch gefunden zu haben, der es versteht, regionale Zutaten so leidenschaftlich zuzubereiten und miteinander zu kombinieren, dass seine Gerichte den geschmacklichen Nerv der strengen Guide Michelin Tester getroffen haben“ – wer also mit dem Pfund des Sternes wuchert, sprich: große Werbung mit dieser Kulinarik macht, der sollte dann auch offene Ohren für Sorgen, Nöte und verständliche Wünsche des Küchenchefs haben. Baumgartners Küchenphilosophie klingt unkompliziert, fast einfach: regionale und saisonale Zutaten, frisch und vom Feinsten, wenn möglich Bio, Auszugsmehle, Geschmacksverstärker, keine Halbfertigprodukte, keine Saucenpulver. Handwerk pur führt zu großer Kunst. Der Beweis :
Gebackene Langostinos im schwarzen Nudelteig, Mai-Kopfsalat Creme und Karotten-Koriander-Vinaigrette
Ein optisches Feuerwerk, das sich geschmacklich fortsetzt. Die Langostinos auf den Punkt gebraten, eine leichte Brise aus Meer und Süße, harmonisch abgerundet durch den etwas herben schwarzen Nudelgeschmack. Die Kopfsalat Creme umhüllt das Ganze liebevoll gekonnt, ein Hauch von Pepperoncino gibt die leichte Schärfe, den Geschmackskick als zarte Pointe.
Salat von Kaninchen und Spargel mit Kartoffel-Buchweizen Blinis
erfrischend samtig, sanft und zart, das Kaninchen mit wunderbarem Eigengeschmack – vielleicht war da auch ein Hauch von Lardo mit im Geschmacksspiel – die Spargelstreifen korrespondieren mit leichter Herbe und Süße hervorragend, unterstützt durch das kernige nussige der fluffig leichten Buchweizenblinis.
Perlhuhn-Schaumsüppchen mit Estragon und Gemüsestreifen
Ein gelungener Magentropfen, kräftig und gut, Lauch und Karotte harmonieren mit Estragon und Perlhuhn. Genau ausgewogen, mit geschickter Hand die Geschmacksakzente gesetzt.
Kartoffel-Bärlauch Gnocchi mit Seeteufel und schwarzen Taggiasche Oliven
Ein intensives Aromenduell zum kräftigen Fisch, den Mut muss man erst mal haben: Bärlauch und Taggiasche Oliven – zarter Knoblauchgeschmack und die fruchtigen, leicht scharfen Oliven, sehr intensiv. Kocht oder brät man sie mit, erhalten sie einen leicht bitteren Geschmack. Der Drahtseilakt gelingt, der Seeteufel fühlt sich nicht bedrängt, auch nicht verdrängt, das Aufeinandertreffen der intensiven Geschmacksträger beflügelt ihn in seiner Zartheit zum Wohlgefühl.
Risotto mit gedünstetem Zwiebelconfit und Schaum vom Tiroler Graukäse
Der Risotto, perfekt, geht nicht besser, leichter Biss, samtig, voller Geschmack – das Zwiebelconfit liefert eine wunderbare leichte Süße – der Graukäseschaum wirkt wie Sahne aber alles ohne Deftigkeit oder Massivität, gekrönt von leichter Speckwürze. So schmeckt Heimat.
Rinderfilet im Ganzen gebraten mit einer Provencialkruste-Rotweinsauce und mediterranes Törtchen mit Blätterteighaube
Eine toll veredelte Region, ein Fleisch voller Natur und Kraft, dabei zart wie Marzipan und dazu das Törtchen, das Mittelmeer in Perfektion bot, würzig, elegant, ohne irgendetwas zu dominieren oder geschmacklich zu erschlagen. Ein kleines Kunstwerk aus Können, Purismus und Verständnis.
Variation von Buttermilch – Erdbeeren und Rhabarber
Die Buttermilch als Mousse, die Erdbeeren kleine Aromabomben und der Rhabarber total gelungen, Geschmack total einfach sooooooo gut. Es fehlte nur eine kleiner Warnzettel: Achtung! Suchtgefahr.
Ein perfektes Menü, wunderbar zusammengestellt, voller gelungener Überraschungen, sensibel, behutsam, elegant umgesetzt. Dazu eine interessante und kenntnisreiche Weinbegleitung durch den jüngsten Sommelier Italiens, dem 18jährigen Sohn der Familie, Johannes Kohler und ein perfekter Service durch Baltina Baumgartner. Ruhig, gelassen, kenntnisreich, eine wunderbare Charmeoffensive. Die ‚Johannesstube‘ ist auf jeden Fall einen Umweg wert.