Eigentlich hat die Oberfalz eine Menge touristischer Attraktionen. Mit mehr als 600 Burgen und Schlössern ist sie Bayerns größtes Burgenland, dazu das Oberpfälzer Seenland rund um Schwandorf, die Porzellanstraße führt durch den nördlichen Teil der Oberpfalz, dann die historischen Altstädte von Amberg, Regensburg und Weiden. Nicht zu vergessen die Naturparks Oberpfälzer Wald, Oberer Bayerischer Wald und der Hirschwald. Schließlich im Südwesten den Naturpark Altmühltal. Und trotzdem wird es wohl nie ein touristisches Mekka werden Vielleicht begreifen sich ja touristische Organisationen mal nicht als Gegner, sondern als Nutznießer einer gemeinsamen Sache, mit gemeinsamen Strategien hat man sicher gute Chancen – aber das bedeutet über viele gewachsene Schatten zu springen. Die Sache, sprich: die Oberpfalz hat es verdient.
Mein Besuch galt zunächst dem kleinen Städtchen Wernberg-Köblitz, nicht weil hier das pralle Leben tobt, auch wenn gerade der Marktplatz im neuen Gewande glänzt, nein mein Besuch galt einem alten Bekannten aus Berliner Zeiten, dem Sterne Koch Thomas Kellermann. Das ehemalige Portalis und das ehemalige Vitrum im Ritz Carlton in Berlin träumen noch heute von seinen kulinarischen Großtaten.
Jetzt also mit Frau und Kind in der idyllischen Oberpfalz, auf der Burg Wernberg, 1280 erstmalig erwähnt. Heute ein Juwel, aufwendig und liebevoll restauriert durch die Familie Conrad, als Electronic Gigant ein Begriff. Heute ein Tummelplatz barocker Formen, Renaissance Stilen, ein wahres Wunderwerk von alter Substanz und moderner Baukunst und Technik. Zimmer und Küchen sind beredte Beispiele.
Hier also zaubert jetzt Thomas Kellermann mit seiner Mannschaft im Burgrestaurant Kastell ( siehe auch „Restaurants“ ) und hat gleich auf Anhieb wieder einen Michelin Stern erobert und 17 Punkte und 3 Kochmützen beim Gault Millau. Der Sprung in die Oberpfalz ist ihm gelungen, Kellermann kocht auf noch höherem Niveau als in Berlin, hochkarätige Qualitätsharmonien aus Erleben und Erkennen.
Bei seiner Auszeichnung zum Berliner Meisterkoch hatte ich das Vergnügen, die Laudatio zu halten und da das damals bei der Veranstaltung nur ein kleiner Kreis hören konnte, zitiere ich für ein großes Publikum gerne die wichtigsten Elemente über den Menschen Thomas Kellermann: Mosaiksteine, die das Bild formen. Er liebt Musik, die läuft auch immer und überall, er liebt Modernes und Klassisches: U 2 – Tschaikowski – ein Steinchen für Rhythmus und Klarheit. Er läuft Marathon. Beim letzten Berliner ein Desaster, seine Frau schlägt ihn. Ist ja aber auch nur ein Floh, sagt er, grinst, freut sich. Ein Steinchen für Fairness, für Anerkennung, für Leichtigkeit. Kellermann ist ein Mannschaftsspieler. Das Team als Basis für alles, was man erreichen will. Trotzdem ist er kein geduldiger Beifahrer – „ich bin schon einer, der auch selbst gern Auto fährt.“ Ein Steinchen für Führung, für Willen, für Selbstbewusstsein. „Ellenbogen und Ehrgeiz sind gut“, sagt er – aber: „Harmonie ist wichtig“, und dann ist ja noch das A und O, seine Familie und vor allem seine Frau Susanne und Sohn Valentin, die geben mir die Freiheit und die Kraft, bringen mich aber auch auf andere Gedanken. Ein Steinchen für Bindung, für Akzeptanz, für Liebe.
All diese kleinen Splitter ergeben eine faszinierende Persönlichkeit als Mensch, als Kochkünstler und nur so schafft Thomas Kellermann mit vernünftiger Kreativität ein Wunder an Einfachheit, er schafft eine Küche der Besinnung, der Sanftheit, der Schlichtheit – wie sie nur die ganz Großen beherrschen: große Kunst, große Charakterstärke und ein wunderbares Selbstbewusstsein.
Seine Menüs sind seine Spiegelbilder:
Mixed Pickles der Kellermannschen Art, Gaumenschmeichler, Überraschungs-Geschmacksexplosionen.
Eine Langoustine, ein zarter Meeresschmelz, mit dem Knaller: Kaninchenbeuscherl. Fisch in der Folie gegart muss Spitzenqualität sein, jeder Alterstag kommt gnadenlos zu Geltung. Der Seeteufel mit frischen Morcheln war gerade erst gefangen. Genau so die Makrele, ein unvergesslicher Anblick.Ein optischer und geschmacklicher Knüller ist immer wieder sein „Phönix aus der Asche“, ein in einem Salz-Asche Mantel geschmorter Fenchel, der am Tisch geöffnet wird. Erlebte und gelebte Sage: etwas was als verloren galt, erscheint im neuen Gewand, in einem wahren Feuerwerk für Geschmacksknospen. Lamm und Taube fühlen sich pudelwohl in Meisterhand.
Der Kreis Leben, Kochen und Kunst, schließt sich: Toulouse Lautrec hat für die Kunst – und ausdrücklich auch für die Kochkunst – formuliert: Kunst ist die höchste Raffinesse aus Synthese und Einfachheit. Also haben wir es bei Thomas Kellermann mit Kunst zu tun: Die Synthese ist bei ihm die Reduktion auf das Essentielle, auf die Verwendung bester und saisonaler Produkte und die Klarheit und Reinheit.
Immer noch einfacher, immer noch vernünftiger und dadurch immer vollkommener. Auch die Gourmetbibeln werden das sicher weiterhin nach oben vervollkommnen.
Fotos: Burg Wernberg (Fotos: Hotel Burg Wernberg)
Jürgen Schiller
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