Die britische Historikerin Lucy Delap dankt vor allem dem South Front Two in der Cambridge University Library, ihrer Recherche-Hauptquelle für ihr aktuelles Buch. „So sieht Feminismus aus“ ist ein besonderes, komplexes Werk geworden. 250 Jahre Geschichte des Feminismus auf fünf Kontinenten analysierte die Historikerin mit den Forschungsschwerpunkten Feminismus, Alltagsgeschichte, Arbeiterbewegung, Religion und Inklusion für das Buch.
Inspirierende Blickwinkel
„Mein Ziel ist es, feministische Inspiration zu bieten und aufzuzeigen, wie sich unerwartete Verbindungen und Resonanzen quer durch verschiedene feministische Generationen und Epochen ziehen…..Feminismus verfolgt das Anliegen, mit über der Hälfte der Menschheit ein Bündnis einzugehen. Womöglich hat es noch nie zuvor eine derartige ambitionierte Bewegung in der Geschichte der Menschheit gegeben.“
Und diese Bewegung strukturiert sie nicht nach zeitlichen Entwicklungen, sondern übersichtlich in acht Themenbereiche. Hier eine Auswahl der Inhalte: „Träume“, das hieß u.a. Anfang des 20. Jhd. für Doris Stevens, sich einsetzten für das Frauenwahlrecht und neue eheliche Beziehungsformen.
Das Thema „Konzepte“ umfasst Fragen zu „Frauen, Vernunft und Weisheit“. Die Autorin zeigt auf, dass die Schriften von Josefa Armar y Borbón zu „Frauenfragen“ im 19. Jahrhundert Spaniens noch heute informativ bleiben.
Feminismus als Marke
Weniger bekannt sind Fragen zu „Feminismus als Marke“ oder „Feministischer Körper“. Im Kapitel „Räume“ betrachtet Lucy Delap auch den Look der Befreiung unter der Überschrift „Mode“. „Gefühle“, Feministische Wut, Liebe und globale Netzwerke thematisiert sie ebenso wie „Aktivismus“ – Steine statt Worte.
Und wie klingt Feminismus? Lieder, Parolen, Klänge „ertönen“ zu dem Thema. Revolutionärin Gilian Booth schrieb Lieder mit Themen zum Rassismus, häuslicher Gewalt und Faschismus. Florence Reece schuf eine Bürgerrechtshymne, die auf der ganzen Welt während Bergarbeiterstreiks gesungen wurde. Ein Zeichen, wie Musik über Landesgrenzen den gemeinsamen Kampf der Arbeiterbewegung vereinte.
Globale Entwicklung
Die Entwicklung des Feminismus ist Zeitgeschichte. Und sie agiert in den unterschiedlichsten Regionen weltweit, ob in Indien, China oder Nigeria, in Großbritannien, Frankreich oder den USA, mit unterschiedlichsten Personen und ihren verschiedenen Ansätzen. Delap berücksichtigt Persönlichkeiten wie Mary Wollstonecraft, Clara Zetkin und Simone de Beauvoir ebenso wie Funmilayo Ransome-Kuti, Alexandra Kollontai oder Rokeya Sakhawat Hossain.
Unabhängig von Hautfarbe, Religion und Sexualität, hat sich die Bedeutung des Begriffs „Feminismus“ zeitlich und global stetig weiterentwickelt und wird in Zukunft Einfluss auf Politik und Gesellschaft nehmen.
… auch Männer
„Nicht nur Frauen haben die Begriffe und Vorstellungen von Gleichberechtigung, Geschlechtergerechtigkeit und einer anderen Lebensweise inspiriert. In diesem Buch werden wir auch Männer kennenlernen, die sich für mehr Frauenrechte engagiert haben, indem sie-oft unter größtem persönlichem Einsatz-feministische Ziele verfolgten, die auch Männern zugutekommen sollten. Die erst im späten 19. Jahrhundert eingeführte Bezeichnung „Feministinnen“ oder „Feministen“ diente tatsächlich dazu, das Konzept der „Frauenbewegung“ durch eine Identität zu ersetzen, die offener für beide Geschlechter war,“ hält die Autorin fest.
Lucy Delap ist ein sehr fundiertes, populärwissenschaftliches Sachbuch gelungen. Der Kampf für Frauenrechte bleibt weltweit aktuell ebenso wie die geschichtlichen Hintergründe, deshalb ist das Buch durchaus empfehlenswert. Ihr Buch The Feminist Avant-Garde wurde mit dem Women’s History Network Prize ausgezeichnet.
Lucy Delap
So sieht Feminismus aus
Aus dem Englischen von Alexandra Hölscher
Hardcover, Pappband, 448 Seiten, 20 s/w Abbildungen
Blessing Verlag
ISBN: 978-3-89667-712-9
Artikelfoto: aus o.g. Buch, „Als erste Frau Latainamerikas geht Julieta Lanteri Renshaw 1911 zur Wahl.“, Foto: gab
Das Buch lag der Redaktion zur Rezension vor.