Es ist die Zahl 8, die uns auf eine Reise in eine kulinarische Wunderwelt entführt. 8 Köstlichkeiten zum Beginn eines unvergesslichen Abends als Schlüssel und Wegweiser für Tim Raues Spiel mit Farben, Formen, Sensorik und Qualität, der Ariadnefaden durch ein Labyrinth aus Frucht, Süße, Säure und Schärfe. Die Zahl 8: in China eine ausgesprochene Glückszahl, die für Harmonie und Vollkommenheit steht. Cashew Kerne, als Lieferant wertvoller Mineralien, süßlich- nussig, umhüllt von einer leicht prickelnden gelben Thai Currypaste. Ein japanischer, eingelegter Rettich mit japanischem Senf, leichte säuerliche Schärfe, süß und sauer in ausbalancierter Harmonie beim rohen Kohlrabi, mariniert mit süßem Senf und Reisessig. Ikarimi Lachs, ein japanisches Edel- produkt, die „festes Fleisch“ bedeutet, von besonderer Konsistenz, nahezu geruchlos, von intensiver Farbe, außerordentlich im Geschmack. Hier gebeizt, bei 40° gegart, begleitet von einem koreanischen Sesamöl und einem Gelée von Grapefruit und Vanille. Ein Bild der Vollendung, ein Geschmackskarussel, das den Gaumen schwindelig macht. Perfekter Ausgleich durch eine Shanghai Gurke, süße Sojasauce, Shan Xing Essig und grünem Chili. Das brennende Huhn eröffnet die Geschmacksoffensive mit Chiliöl und Szechuanpfeffer, süß-saure Gurken dienen als Feuerlöscher. Japanische Eismeergarnelen verführen durch ihre unglaubliche Zartheit, schmelzend am Gaumen, dazu ein Hennessy XO-Gelee und eine Mayonnaise von den Garnelenköpfen und Piment d’Esplette. Schließlich ein ‚ganz banales Gericht, mit einer scharfen, intensiven Aromatik‘, wie es in Raues hervorragendem Kochbuch ‚My Favorite Things‘ heißt, ein ’Snack mit Ausrufezeichen‘, er ‚peitscht einmal über die Zunge und macht meinen Gästen klar, wo sie hier sitzen‘ – Sichuan Pork Belly, gekochter Schweinebauch mit Sichuan Pfeffer, geräuchertem Chili und Sesam. Es ist die Zahl 8, die uns die Welt Tim Raues öffnet, ein Geschmacksbeet, ein Geschmacksbett am Gaumen, ein Schlüssel zum 7. Genießerhimmel. Immer wieder eine sanfte Entwicklung und Verführung, eine Aromatik, die sich langsam und stetig entwickelt, bis zur Genussvollendung. Keine Gewürzüberfälle, sondern ein Spiel, ein Entwicklungsprozess. Die Erkenntnis der Philosophie eines Tim Raue.
Einige Beispiele aus seinen beiden großen Menüs: ‚unique‘, das die unverwechselbare Aromatik und Stilistik der Küche in seiner wunderbaren Ausgewogenheit widerspiegelt und das ‚frühjahrsmenü‘, leicht und aromatisch.
Der erste Paukenschlag der kulinarischen Symphonie: Imperial Kaviar und beim ‚frühjahr‘ ein Ceviche von der Jakobsmuschel
Es gibt für Raue nichts, was geschmacklich und texturell mit Kaviar vergleichbar wäre. Hochexplosiver Geschmacksträger, als Gewürz und Bindung, eine Qualität die ihresgleichen sucht, sich wunderbar ergänzt und verbindet mit in Reisessig eingelegter Gurke, einer Dill-Buttercreme und alles auf einem gegrillten Rindermark. Spielerische Geschmacksergänzung durch ein Calpico- Baiser, einem japanischen Erfrischungsgetränk mit Joghurt. Das Ceviche von der Jakobsmuschel mit einer Holunderblüten-Marinade , grüner Melone und Pink Lady Apfel, Zitronengras und grünem Thaipfeffer. Eine butterweiche Muschel, eine vollfruchtige Marinade und die sanfte bis prickelnde Exotik.
Zweiter Paukenschlag: der Fisch
Ein Zander von einer dicken, saftigen Fleischigkeit, die sensationell ist. Wohl dem, der solche Fischer kennt. Mager, fest, delikat und dezent der Geschmack –so im puristischen Zustand. Bei Raue eine überraschende Veredelung und Krönung durch eine 10 Jahre gereifte Kamebishi Sojasauce, etwas säuerlich, voll aromatisch, leicht bitter, saftig. Wer jemals diese Sojasauce genoss, der wird ab sofort alle anderen meiden. Yuzu Schnittlauchöl, Yuzu Marmelade zum Shanghai Pak Choi, klein zart und edel und, der helle Wahnsinn, ein Sud von Ente und Entenfüßen. Eigentlich ist danach Gaumenschluss, denn ein weiterer Baustein liegt hier in Vollendung vor uns: das Zentralgestirn im Mittelpunkt und dann die kleinen Geschmacksträger-Planeten.
Im Hohelied einer fast überall unbekannten Kochkunst nur noch zwei Elemente, zwei weitere Paukenschläge in Raues Symphonie
Das berühmte Diamond Label Beef
es passt in unsere symphonische Beschreibung, als ein ganzes Notenbündel. Das Handelsblatt schrieb einmal: „beim 1. Bissen setzt im Kopf des Genießers ein Symphonieorchester ein.“ Der Dirigent das butterzarte Fleisch, die Streicher: eine beurre rouge von roten Thaischalotten, die Blechbläser: Portwein und Syrah, eine Trompete: Morcheln in Beef Tea, Blech- und Holzbläser: Salat von der Wasserkresse, Romanesco und Macadamia und eingelegten Schalotten. Standing ovations.
Das Dessert:
Wer jemals schrieb: Desserts sind nicht die große asiatische Welt, der kennt Tim Raue nicht im perfekten Zusammenspiel einer kulinarischen Globalisierung:
Grand Lait Schokolade 45%
Die edelste und gehaltvollste Milchschokolade mit einem selten hohen Kakaogehalt von 45% mit feinen Karamell-und Haselnussnoten, Cremeux und Blüten, Pürée und marinierte Banane, Limetten Eis und Gelee.
Kokosnuss
Hier trifft die weiße Schokolade auf kongeniale asiatische Elemente: Misogelée, Yuzu Mousse, Kokosnusseis und junge Kokosnuss. Und dann der große Trommelwirbel: Portulak, klein und krautig, als grün-dunkler Saft: In einem Kräuterbuch von 1588 heißt es: Portulak hilft gegen den „Sod im Magen“ und es wird der „Saft im Mund gehalten, machet wackelhafftige Zähne wiederum fest stehen.“ Welch ein Abschluss.
Zum totalen Genuss gehören noch der Sommelier, André Macionga, immer für tolle Überraschungen aus der über 1400 Positionen umfassen Weinkarte gut, das Service Team, jung, kommunikationsfreudig, keine Berührungsängste, ohne auch nur den Hauch einer billigen Anmache, und natürlich die gesamte Küchencrew, der Chef, der immer wieder zu seinen Gästen kommt und Marie- Anne Raue, mit von der Partie, alles im Blick, eine perfekte Gastgeberin. Die Musketiere sind hier zu Hause: einer für alle und alle für einen, nämlich den Gast.
Raue gehört mit 19 Koch – Mützen im Gault Millau zu den 13 besten Köchen Deutschlands; 2 Sterne im Michelin, also einen Umweg wert. Allerdings sind hier schon drei Sterne gelebte Realität: das Restaurant ist eine Reise wert.