Drei Begegnungen mit Markus Semmler in letzter Zeit und dreimal wunderbare Erlebnisse, kulinarisch und menschlich. Da war das ‚Berliner Morgenpost Menü‘, erfolgreiche Stippvisite einer modernen, leichten, innovativen Küche : Gänsestopfleber, Schweinebauch, Havelzander, Fläminger Rehrücken, Himbeershot mit Berliner Weiße-Bonbon.
Die zweite Begegnung: ein kleiner Kreis von Journalisten wurde messerscharf herangenommen-Deutschlands Messerspezialist Christian Romanowski stellte Neuheiten aus der Serie Chroma type 301-Design by F.A. Porsche vor. Eleganz und unverwüstliche Schärfe, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Im Herbst treffe ich mich mit dem Inhaber in Wildau und werde über das Geheimnis guter Messer berichten. Markus Semmler bewegte sich wie ein Balletttänzer mit der Klinge, wie angeschweißt glitt sie federleicht durch die Lebensmittel.
Das Ergebnis ein wunderbar elegantes kleines Menü mit Eisbein und Hummer, Ochsenschwanzkrokette, eine Geschmacksexplosion durch einen Seesaibling, einem Omble Chevalier mit Roter Bete, Neuseelandhirsch.
Markus Semmler – die 3. – Film ab. Action.
Die Szene ist wieder das gelungene Innere seines Restaurants. Der Raum wirkt vielleicht etwas lang, etwas groß – hinten der offene Tresen, an dem auch angerichtet wird. Trotzdem stellt sich sofort Behaglichkeit und Geborgenheit ein. Das liegt natürlich auch an Andrea Güttes, Maître seit Anfang des Jahres. Vorher schon einmal die Zusammenarbeit mit Semmler im ‚Mensa‘, dann Restaurantleiterin im ‚Fischers Fritz‘. Ein Charme, eine natürliche Offenheit, die den Gast sofort gefangen nimmt. „Mir macht es einfach Spaß, gemeinsam mit einem Serviceteam dem Gast ein kulinarisches Erlebnis der wirklich besonderen Art zu bescheren“, sagt sie – eine perfekte Gastgeberin erkennt Wünsche, bevor sie formuliert werden und bewirtet Restaurantbesucher stets so, als wären sie bei ihr zuhause eingeladen, lautet ihr Credo. Zweite Trumpfkarte ist Ronny Scholte, der Sommelier, wie sich noch sehr süffig herausstellen wird.
Scholte war vorher u.a. im ETA Hoffmann und im Brenner’s. Treffsicher, sympathisch informiert er, keine unerträgliche Nachhilfestunden, sondern gekonnte Empfehlungen.
3 Spielereien aus der Küche weisen einen genussvollen Weg
Spargelsüppchen&Chorizzoknusper; Kaninchensülze&Sauerampferespuma;Tomate&Mozarella ala Markus Semmler
Ein toller Spargelschaum, der Chorizzogeschmack ein leicht erdiger Gegenpol. Der Sauerampfer reizte den Gaumen mit sanfter, angenehmer Säure, die Kaninchensülze vielleicht ein Hauch zu fest, ein rustikaler Kontrapunkt. Mozarella und Tomate wunderbar, die Spielerei mit dem Basilikum als Eisnocke einfach nur herrlich.
Königsberger Klops, Rote Bete Marshmallow, Kapern
Welch eine Überraschung, welch ein verspielter Witz. Der Klops protzt mit saftigem Geschmack, der Rote Bete Marshmallow optisch und geschmacklich ein Knaller – die herb-süße Erdigkeit der Roten Bete und dann als 3. Element die frische leichte Salzigkeit der Kapern. Klassik, Moderne und Regionalität unter einem Hut. Ronny Scholte serviert dazu ein kleines Pils.
Spargelmousse, geräucherter Aal,Kaviar, Sauternesvinaigrette
Eine Gemäldegalerie und wie das Bild schmeckt! Der Aal, selbst geräuchert, nicht fett, nicht schwer, nicht massiv – ein Schmelz, wie von Marzipan, die Aalgeleewürfel dazu eine tolle Ergänzung. Die Spargelmousse satt und saftig, hervorragendes Produkt, ideale Textur. Die Kaviarpünktchen sind wundervolle Geschmacksknospen. Der Wein: ein Gewürztraminer,2011, Reserve AOC von Josseph Grattin. Volltreffer.
Jakobsmuschel, Kohlrabijus, Topinambur
Wieder eine ungewöhnliche Zusammenstellung, ein Florettangriff, der den Gaumen voll trifft. Topinambur und Kohlrabi – daraus ergeben sich Szenen einer beständigen kulinarischen ‚Hochzeit‘ – außerdem erleben wir eine Gesundheitsbombe der besonders wirksamen Art: voller Vitamine B und C, Folsäure, Kalium und Ballststoffe über Ballaststoffe. Das Grün der Kohlrabiblätter – oft gedankenlos weggeworfen – erfährt hier einen idealen Stellenwert, Geschmacksverstärker und noch mehr Nährstoffe, als in der Knolle. Die Muschel ein Musterexemplar an Frische und Textur, der Sud eine leichte Süße, mild und nussig. Die Überraschungsbeigabe: die kleinen weißen Perlchen, gefüllt mit Kohlrabicreme. Noch Minuten danach: eine ungeheure Geschmacksnachhaltigkeit. Ein Grauer Burgunder von Stefan Breuer rundet alles ab.
Würfel vom 12kg Atlantiksteinbutt, Morcheln, Spargelrisotto, Pomelo
Hier zeigt sich wieder einmal, dass Semmler nicht kleckert, sondern beim Wareneinsatz einfach klotzt, um so ein optimales Ergebnis zu erzielen. Der Butt hat eine Dicke und Konsistenz, die wunderbar ist, ungewöhnlich. Dann das Spiel der Aromen: neben dem Hauch von Erdigkeit durch die Morchel, die zurückhaltende sanfte süß-saure Fruchtigkeit der Pomelo. Erfrischung pur. Hier kam die allergrößte Überraschung durch den Wein. Ein Savagnin blanc, ein 2011er Heida von Albert Mathier, aus dem Wallis,eine sehr alte Rebsorte, die schon die Römer im Wallis anbauten.Heute gedeiht er in Lagen bis über 1000 Meter. Idealer Begleiter zum Butt-Gang durch seine atemberaubende Frische, der goldgelben Farbe und einem Geschmack nach Nuss, Vanille und Honig.
Wildperlhuhn, Beelitzer Spargel, Trüffeljus
Ein perfekt gegartes Fleisch, saftig, leicht wildig, zwischen bestem Huhn und wildem Fasan. Handwerkliche Hochleistung. Kleine Bratkartoffeln fügen sich wie Perlen in die Esslandschaft ein. Eine Spargelcreme ergänzt hervorragend die Streifen vom Spargel. Geschmackliche Spielereien durch die Garnele in der Keule und der Trüffelscheibe unter der Brust. Dazu ein 2010er Menetou-Salon von der Domaine Philippe Gilbert. Menetou-Salon, eine kleine Weingemeinde in der Nähe von Sancerre und Bourges. Kleine Kostbarkeiten. Hier in Rot, ein Pinot Noir, rubinrot. Früchte wie Himbeere und Erdbeere, bei den Gewürzen: leichter Pfeffer. Idel als Ergänzung zu der Perlhuhn-Wildheit.
Auch beim Dessert noch einmal Vollgas mit einer Joghurt Panacotta, Waldmeister und Vanilleeis und: Achtung: Trommelwirbel: Valrhona ‚Dulcey‘, Spargel, Orange , Kerbel
Valrhona,führender französischer Schokoladenhersteller, hat 2012 mit der Sorte “Dulcey” eine als “Blonde Schokolade” beworbene Schokolade auf den Markt gebracht – technisch eigentlich eine Weiße Schokolade, farblich nicht, und geschmacklich zumindest ungewöhnlich. Der Duft: sehr süßer Karamell, weicher Toffee. Süßsauer ist der erste Eindruck; Balance ist alles bei Valrhona, und auch für die Dulcey wird ein spannendes Gleichgewicht zwischen Karamellzucker und Milchsäure gefunden. Der Mut Semmlers: die Kombination mit Gemüse (Spargel) und intensivem Gewürz (Kerbel). Toll die Miniwürfel in Läuterzucker, das Orangensorbet neutralisiert- alles aber ergibt eine kaum für möglich gehaltene Harmonie und Ausgewogenheit, ein spannendes Gleichgewicht und Erlebnis.
30 Jahre am Herd, 46 Jahre Gastronomie, ungeahnte Höhen und Tiefen: Markus Semmler ist wieder da. Heute 14 Angestellte.Eigentlich wollte er ja etwas einfacher kochen- aber dann kamen die alten Stammkunden und wollten wieder ‚die Semmler Küche‘. Und das ist sie: Top Grundprodukte, hoher Wareneinsatz, klassisches Handwerk, gut rübergebracht. Gesundes Mißtrauen als Basis für den Erfolg, immer wieder überprüfen, ein Koch aus dem Bauch heraus, kein Chemiker oder Physiker. Ein Koch und eine Küche mit Liebe und Herz. Markus Semmler ist wieder da, wo er hingehört – ganz weit oben.