Von Rau Om und Rau Ram – Teubners ‚Vegetarisches Kochbuch‘

TEUBNER Vegetarisch - 72dpi
Gräfe und Unzer Verlag / Fotografie: Joerg Lehmann

Der Vegetarismus hat eine lange Geschichte. Als der erste große Vegetarier gilt  Pythagoras (um 570 bis 500 vor Christus)

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„Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen zurück.“ Er und seine Anhänger verabscheuen nicht nur die religiösen Tieropfer, sondern waren der Meinung, der Mensch sollte Tiere nicht essen, der Fleischgenuss macht aus ihm eine Kriegsmaschine, aggressiv und mordlüstern. Nach dem Motto: Solange der Mensch Tiere tötet, wird er auch Menschen töten.

Pythagoras fand Nachahmer

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Ovid und Plutarch, auch der römische Philosoph Seneca gehören dazu, eine echte Bewegung aber wurde daraus nicht. Im Mittelalter keine Relevanz, erst in der Aufklärung sorgen prominente Vertreter wie Voltaire und Rousseau für mehr Aufmerksamkeit.

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Endgültig etabliert sich die Bewegung in Europa dann im 19. Jahrhundert. 1847 wird in Manchester der erste englische Vegetarier-Verein (Vegetarian Society of the United Kingdom) gegründet. In Deutschland dann 1867 in Nordhausen im Harz die erste deutsche „Vegetarische Vereinigung“. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebt die Bewegung mit der Entwicklung der Homöopathie noch mal einen Boom. Höhepunkt  der vegetarischen Bewegung nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland im Jahr 2000: Danach ernähren sich laut Schätzungen rund 15 Prozent der Deutschen vegetarisch. Mittlerweile hat sich die Zahl wieder auf rund sechs bis acht Prozent reduziert. Also 6 Millionen sind schon mehr als die früher belächelte Minderheit,dazu noch gebildet und problembewusst, hip und cool. Der Zug ist abgefahren, vor allem seit McDonalds auch auf vegetarisch setzt, der ‚Veggiburger‘ ist ein Renner, 2 Millionen  davon in der Woche .

wikipedia/ divinemisscopa
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Der Trend also ist da, die Pflicht erkannt, nun zur Kür und die kann Höchstnoten erreichen, wie das 3 kg schwere Mammutwerk ‚Vegetarisch‘ von Teubner mit jeder Seite beweist. Schönheit, Ästhetik und Information ergänzen sich hervorragend. Da ist die Warenkunde: ein Füllhorn an berraschungen, Unbekanntem, Wissenswertem. Wie behandele ich welche  Gemüse, Pilze, wie welches Obst, Kräuter in Hülle und Fülle. Wer kennt schon den Unterschied zwischen Rau Om  und Rau Ram, kein Wörterdreher, sondern fundamentaler Unterschied: eine Reisfeldpflanze, süßlich aromatisch mit einer Kreuzkümmelnote (Rau Om) und Vietnamesischer Koriander, pfeffrig-zitroniger Geschmack bestens geeignet für Salate, Suppen, Nudeln, Currys und Reisgerichte (Rau Ram). Wer glaubt, nur Soja macht glücklich, kennt nicht die magische Wirkung von Seitan und Lupinen. Amaranth (einst wichtigstes Nahrungsmittel der Azteken) und Quinoa (der Inka- oder Perureis aus über 4000m Höhe)  geben sich die Ehre, genau so wie Berberitze, rote Sauerdornbeeren und Speierling (eine seltene Wildobstart). Und nach der Lektüre des kiloschweren Wälzers sind sie Fachleute in Tangors und Tangelos. Und immer wieder grüßt der Igelstachelbart. Nach dem Wissenswerten, die Überraschung: vegetarische Gerichte, die unsere Fantasie fordern, prägen, sprengen. Eine wunderschöne Überraschung nach der anderen, über 180 kulinarische Höhenflüge, ausgedacht und ausprobiert von 13 Spitzenköchen. Das ist Gaumenslalom zwischen Radirolle mit Gurke, Belper Knolle mit kandierten Szechuan-Pfeffer-Mandeln, Spargel-Wildkräutersalat, Underground-Curry, Seitan-Saté mit Erdnusssauce und gelbem Duftreis, sowie sächsischem Pudding mit Rosinen und weißer Mokkasauce.

Zwei der schönsten Überraschungen, ungewöhnlich und prickelnde schmeichelnde Gaumenkitzler

 Gräfe und Unzer Verlag / Fotografie: Joerg Lehmann
Gräfe und Unzer Verlag / Fotografie: Joerg Lehmann

 ein orientalischer Limettenbulgur mit Chorta und Fetakäse. In Griechenland bedeutet ‚Chorta‘ eine Mischung aus wilden Kräutern und Blattgemüse. Junge Brennnessel- und Löwenzahnblätter, Sauerampfer, Senfblätter und Zichorie. Zart, säuerlich und erfrischend, perfekte Zuspieler für den Bulgur mit Zimt, Kichererbsen, Safran, Rosinen und einer arabischen Gewürzmischung.

Ein Caipirinha-Sorbet in der Limettenschale serviert. Wer das einmal isst, vergisst den Drink. Perfekte Ausgewogenheit zwischen Alkohol, Limettensaft und braunem Zucker .

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foto: Gräfe und Unzer Verlag / Fotografie: Joerg Lehmann

All die  wunderbaren Köstlichkeiten wären aber nichts ohne die wirklich großartigen Fotos von Jörg Lehmann, Berlin. Man schmeckt die Gerichte beim Anblick, erfreut sich an einer herrlichen Ästhetik.

Giovanni Boccaccio taucht  mit einem Zitat auf: ‚Es ist besser, zu genießen und zu bereuen,  als zu bereuen, dass man nicht genossen hat‘

Dieses Buch ist Genuss pur ohne Reue.

 

„Teubner vegetarisch“. Erschienen im Teubner Verlag, München 2013

540 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 99 Euro

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Gräfe und Unzer Verlag / Fotografie: Joerg Lehmann