Berlin träumt noch immer von den ersten 3 Sternen, kann sich aber immerhin seit Anfang 2013 im Glanze eines 3 Sterne Papstes sonnen. Pierre Gagnaire wagte den Schritt mit dem ‚Les Solistes‘ im Waldorf Astoria. Er selbst sagt: „Mit dem Waldorf Astoria hielt ein großer und einzigartiger Name Einzug in Berlin und es erfüllt mich mit Freude, sowohl den Berlinern als auch den Gästen aus aller Welt eine anspruchsvolle und einzigartige kulinarische Erfahrung mitgeben zu können“. Er zeichnet für das Küchenkonzept und die Menügestaltung verantwortlich. Gagnaire ist einer der einflussreichsten Köche der Welt, Kreativität und Lust am Experimentieren sind für ihn Voraussetzung für eine Küche, die einfach ist und aufwendig, raffiniert bis zum Luxus, orientiert an veränderten Lebensgewohnheiten, moderner, fordernder, eleganter, bewusster, bereit zum Genuss. Der Belgier Roel Lintermans ist in Berlin für die Umsetzung des Konzeptes verantwortlich.
Der Erfolg: 1 Stern und ‚Aufsteiger des Jahres‘ durch die Jury der Berliner Meisterköche. Harmonie durch die Technik des Umsetzens und die Superqualität der Produkte. Nicht alles ist höchste Raffinesse, aber stark ausgeprägt in der Synthese und in der Einfachheit. Ein paar kleine Kostproben.
Entenstopfleber
Einst ein Magenstopfer , der den Appetit nur hemmte – hier eine federleichte Begegnung fast himmlischer Art, eine traumhafte Textur und Struktur. Die Milchschokolade als Deckblatt ist von sanfter, zurückhaltender Süße und korrespondiert perfekt mit dem kraftvollen Schmelz der Entenleber – zunächst gebraten, dann zur Terrine verarbeitet. Zwischen Terrine und Schokolade eie herrliche Entenstopflebermousse, die sensorischen Zellen von Zunge und Gaumen fahren Achterbahn. Der salzige Brique-Teig-Boden und das zarte Paprikaconfit sind achtbare Spielbälle.
Kabeljau
Nur eine Kleinigkeit: ein Wunder. Eleganz, Frische, Geschmack. Lintermans hat hier ein Zauberhändchen. Der saftige Fisch wird in Lorbeerbutter pochiert, die Meeresfrisch trifft auf den herben Duft des Lorbeers und den Geschmack einer wirklich ‚guten‘ Butter. Die schmelzende Kartoffelcreme korrespondiert ergänzend mit einem angenehmen ’Meeresrausch‘, der Nori Alge, leichtes Röstaroma, kräftig, würzig. Fenchel und Kaiserschote ein harmonischer Ausgleich. Bonitospäne sind das Tüpfelchen auf dem Kabeljau. Höchste Produktqualität und Raffinesse – auch die Begleiter: Artischockeneis mit Haselnussöl, Brokkoli, Paprika und Navetten.
Lamm aus Limousin mit Knoblauch gebraten, Mangold Gratin mit Oregano. Lammbries, Rettich, Spinat
Was war nur los- das Gefühl, auf einem anderen Restaurant Stern zu essen. Das Hauptprodukt wieder grandios. Da die Lämmer in erster Linie Gras fressen, sind vor allem die geographischen Zuchtbestimmungen und die Bodenqualität für den jeweiligen Geschmack mitverantwortlich. Das Limousin Lamm weidet auf weitläufigen Grünflächen und Heidelandschaften. Dementsprechend ist der Geschmack des Limousin Lammfleischs bestimmt von einer besonderen Zartheit und Saftigkeit. Dazu die handwerkliche Perfektion und Präzision der Zubereitung. Dann aber: das Mangoldgratin mit Oregano auf Süßkartoffel, eigentlich gute spielerische Geschmackskomponenten – hier aber: erstaunlich zurückhaltend, fast geschmacksneutral, genauso wie das Kicherbsenbällchen, die Falafel-Krokette. Daneben das Lammbries, zu fest, die Spinat’unterlage‘ fast langweilig.Eine gute Grundidee an der noch kräftig gefeilt werden muss.
Dessert
Hier nun wieder ein gelungenes wunderbares Spiel der Harmonie, der Frische, der Fruchtigkeit, der Eleganz, der Kreativität. Die Suppe aus exotischen Früchten eine Hymne aus Drachenfrucht, Mangostan, Rambutan, Litschi. Ein Apfeltandoori- Gelee, grünes Paprikasüppchen, grüner Apfel in Verbindung mit einem Parmesan ‘Keks‘. Dann eine Spielerei, die auf jedem Kindergeburtstag Riesenjubel hervorrufen würde: karamellisierte Birne mit Frischkäse-Crème, Marshmelows aus Orangenblüte und Rosenwasser. Avangardistik: ein Cassiskompott mit Pflaume und Lakritzeis. Krönende, herrliche Tradition: ein Schokoküchlein, gefüllt mit Mango auf einer Samtsuppe von Kokos. Da ist sie wieder die Raffinesse durch Synthese und Einfachheit.
Fazit einer fast durchweg gelungenen Hochkultur der Küche: Ein Gourmet ist sicher kein Psychiater des Geschmacks, wohl aber ein Lebensphilosoph.