Ein Moment der Stille, der Starre. Die Zeit macht Pause. Farben, Geräusche, Gerüche werden übermächtig. Das Grün des Tals, das steinerne Grau der Berge, das stählerne Blau des Himmels – ein Vogel erzählt die Geschichte seines Nestes, eine Nebenstraße erzeugt Aufmerksamkeit – das leichte Klappern und Quietschen einer hölzernen Fensterlade erzählt Geschichten aus dem Hochpustertal – der Duft von Gras und Blüten, eine Sinfonie der Beruhigung, die Geschichte einer Landschaft aus Vielfalt und Einfachheit. Das Hochpustertal, ein modernes Gemälde aus Gebirge, Seen, Kirchen, Hütten – aus Kunst, Kultur und Kulinarik.
Gerade die drei K’s sind wichtige Trumpfkarten im touristischen Selbstverständnis, bekräftigt Direktorin Silvia Wisthaler vom Tourismusverband Hochpustertal. Das Treffen in ihrem Büro auf dem Gelände des Grand Hotels, in dem heute das wichtigste kulturelle Herz, die Gustav Mahler Musikwochen (Artikel folgt) schlägt, ist voller Dynamik. Lächelndes Gesicht, kurze, dunkle, gescheitelte Haare, hell und licht der Raum, die 3 Zinnen lassen grüßen. Silvia Wisthaler drischt keine Phrasen, argumentiert sachlich, überzeugend. Druckreife Sätze zeigen, wie sehr sie in ihrem Job aufgeht, ihn hervorragend ausfüllt. Verständlich wird wie wichtig das Ausspielen dieser Trumpfkarte ist, das Zusammenspiel zwischen alpinem und mediterranem Lebensstil. Bäuerliche Traditionen und Kulturen spielen eine immense Rolle, sind kulturlandschaftlich von großer Bedeutung, unterstreicht sie, das harmonische Zusammenspiel zwischen Bauern, also Produzenten und der Gastronomie, den Köchen, gelingt zum Vorteil der Urlauber. 1 Michelin Stern bei Chris Oberhammer im ‚Tilia‘ in Toblach (Artikel folgt)
auf der Jora Hütte bei Markus Holzer, wo die Nudel rockt (Artikel folgt)
oder bei einer der besten Südtiroler Köchinnen, Helene Markart, im Hotel Adler in Niederdorf (Artikel folgt)
Eine Küche, die nicht nur die Vielzahl der italienischen Gäste anspricht, sondern auch die Gaumen der deutschen Urlauber schwelgen lässt. Region und Saison damit punkten sie in den Augen von Silvia Wisthaler. Toblach, Standort der Tourismuszentrale, galt schon immer als Höhenluftkurort schlechthin. Noble Prominenz, hoher Adel gaben sich die Klinke in die Hand.
Der österreichische Kaiser Franz Josef, per Sonderzug der Südbahn von Wien ins Hochpustertal; die Familie Rothschild, der Kronprinz von Preußen, die Könige von Belgien und Sachsen. „Hier ist es wunderherrlich und repariert ganz sicher Leib und Seele…“ schreibt Gustav Mahler, Sommerfrischler von 1908 bis 1910. Inspiration für die neunte Sinfonie, die zehnte und für das Lied von der Erde.
Im Buch von Norbert Niederkofler, ‘Mein Südtirol‘ findet sich eine hübsche Passage:
„Ein bisschen heikel soll er allerdings gewesen sein. Man erzählt sich, dass er sich mal ordentlich über das unmusikalische Krähen eine Hahnes aufregte. Mahlers Gastgeber, dem sowohl das Gästehaus als auch der Hof gehörten, soll damals sogar bereit gewesen sein, dem Gockel den Hals umzudrehen, um es dem prominenten Gast recht zu machen. Doch Mahler winkte ab. Und so krähte der Gockel weiter, und Mahler schrieb das Lied von der Erde.“ Der Abschied daraus klingt wie eine Ode an das Hochpustertal: Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge. In alle Täler steigt der Abend nieder mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind. O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt der Mond am blauen Himmelsee herauf. Ich spüre eines feines Windes Weh ‘n hinter den dunklen Fichten. Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel. Die Blumen blassen im Dämmerschein. Die Erde atmet voll von Ruh‘ und Schlaf.
Hier ist sie die Landschaft voller Poesie und Musik, voller Harmonie und Geschichte. Bilder, die das Innere erreichen und erweichen
Drei Zinnen, Zwölferkofel, Pragser Wildsee, die Barockkirche von Innichen, der Blick von der Sennesalpe zum Monte Cristallo, die Ruhe am Dürrensee, Sexten mit seinem grünen Tal zwischen den sanften Hängen der Karnischen Alpen und den schroffen Felswänden der Sextener Dolomiten. Pfunde zum wuchern und trotzdem gibt es immer wieder Probleme. Silvia Wisthaler ist selbstkritisch genug, um zu erkennen, dass der Begriff Hochpustertal schwer beim deutschen Gast ankommt, Alta Pusteria ist für die italienische Klientel ein höherer Marktwert. Dolomiten und Drei Zinnen greifen, da kommt der ‚aha Effekt‘ bekennt sie, aber der Name Hochpustertal? „Wir versuchen über Imagekampagnen Online und Print diesen Namen in den Kopf der deutschsprachigen Gäste zu bekommen…. Ist noch ein weiter Weg, sicher auch unsere Schuld. Wir haben in den letzten 10-15 Jahren auch immer mal über den Namen Hochpustertal diskutiert und wenn das schon vor Ort nicht klar ist, wie sollen wir es dann von den Gästen verlangen und dann haben wir auch das Logo viel zu häufig gewechselt, also schwierig den Namen in den Köpfen zu verankern, wir arbeiten stark daran.“
Und so sind es natürlich erst einmal wieder die Drei Zinnen, die Bewusstsein schaffen sollen. Und sie zählt auf, was das Hochpustertal, der Sommer alles zu bieten hat: ein breites und grünes Tal, erholsamer Urlaub, man muss nicht auf die 3000er, Radfahren im Tal, spazieren gehen, ein kleines überschaubares gebiet. Ideal für alle Generationen: die Oma spaziert durch die Fußgängerzone von Innichen, der Enkel fährt mit dem Lift auf den Haunold, vergnügt sich mit dem 1,7km langen Fun Bob, mit 40%er Neigung und die Eltern setzen sich aufs Rad, radeln gemütlich nach Lienz, fahren mit dem Zug zurück. Alles kompakt für verschiedene Generationen.
Schwieriger ist für Silvia Wisthaler der Winter, der Preis ist höher und der Verband muss versuchen, Entwicklungen weiterzutreiben, das Thema Mobilität spielt eine immer größere Rolle, Ökologie und Ökonomie müssen im Gleichgewicht sein. Ab der Wintersaison 2014/2015 ein neuer Trumpf: der Zusammenschluss der Skigebiete Helm und Rotwand, Skitouristen können dann beide Gebiete bequem per Lift nutzen, ohne dafür ins Auto zu steigen. Mit 90 Pistenkilometern wird die Region Sexter Dolomiten im Hochpustertal zum größten Skigebiet in den östlichen Dolomiten. Die Direktorin badet nicht in Selbstzufriedenheit, das macht sie sympathisch, glaubwürdig. Ihr Lieblingsort ist und bleibt der Geburtsort Innichen, ihr Lieblingsplatz der Pragser Wildsee, den besucht sie aber nicht im August oder Juli, der Tourist ist überall und lautstark. Sie geht frühmorgens oder spätabends hin: die Ruhe, das Mystische, das Klare, der Anblick vom Seekofel.
Mir bleibt nur der Alltagstourismus mit dem Alltagsrummel am späten Nachmittag. Der See ist die Attraktion, der Hit von Alt und Jung. Hier wird nämlich eine sehr populäre italienische Fernsehserie gedreht: „Un passo dal cielo“ – „nur ein Schritt bis zum Himmel“ – Hauptdarsteller Terence Hill. Und so pilgern sie in Scharen zum See, in der Hoffnung, Terence Hill als Förster Pietro zu begegnen oder dass er vielleicht wie Nessie aus dem See auftaucht.