Gustav Mahler Musikwochen in Toblach

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Toblach im Hochpustertal ist nicht nur ein touristisches Kleinod , sondern auch im kulturellen Bereich ein Juwel. Aljjährlicher Höhepunkt: die Gustav Mahler Musikwochen. Dazu ein Gespräch mit dem Präsidenten der Musikwochen, Dr. Hansjörg Viertler.

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Toblach und Gustav Mahler ist für viele  Leute vielleicht nicht ganz so ein Begriff, wie Attersee und Gustav Mahler. Wie kommt das?

 

 

Viertler Hansjörg

Toblach hat gerade über das Festival natürlich schon eine Bedeutung dazugewonnen als Ort, wo Gustav Mahler seine letzten Sinfonien geschrieben hat-es war natürlich auch seine- emotional gesehen- seine letzte und schwierigste Zeit, die er hier verbracht hat,  entsprechend sind hier vielleicht auch die schwierigsten aber auch die schönsten Werke Mahler entstanden. Toblach ist zu einem Geheimtipp für Mahlerfreunde geworden durch diese inzwischen auch 30jährige Tradition, die wir als kleines Festival haben. Es ist kein sehr großes Festival- wir haben die Mittel dazu nicht, sind aber immer sehr aufmerksam von der Fachpresse und Freunden der Musik, die sich mit Mahler auseinandersetzen, verfolgt worden. Natürlich,  Attersee und gerade auch der Wörthersee war die Zeit von Mahler, wo er die ersten Sinfonien, bis hin zur 8. Sinfonie   geschrieben hat und es finden sich natürlich auch in Österreich viele Festivals. Wir sprechen eine andere Zielgruppe an, besonders auch die Italiener, die sich mit Mahler konkret erst seit den 80er, 90er Jahren intensiv auseinandergesetzt haben, er hat in der Zwischenzeit in Italien eine ganz große Renaissance- daran nehmen wir natürlich teil. Ich würde sagen mit Abbado  wurde Mahler in Italien besonders  auch bekannt.

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Das Festival ist ein Kleinod, fast noch immer ein Geheimtipp. Was können Sie tun, dass daraus ein richtiger Tipp wird. Das Programm ist doch  faszinierend.

 

 

Viertler HansjörgJa, das ist jetzt die Kunst. Wir diskutieren, wir arbeiten sehr viel daran, wie schaffen wir es ein Festival aus der  Region und in der  Region zu bleiben, also mit den Wurzeln in der Region und diese Tradition weiterzuführen auch mit Künstlern aus der Region, die eingeladen werden am Festival teilzunehmen. Sehr viel auch mit Jugendorchestern, was jetzt nicht nur eine Frage des Geldes ist – natürlich laden wir Jugendorchester auch deshalb ein, weil sie günstiger zu haben sind, einfach aus finanziellen Gründen, aber weil wir auch hier Jugend und Musik als ein wichtiges Thema betrachten und wir haben die Erfahrung gemacht, wenn wir  junge gute Künstler einladen, die dann in den Jahren ihre Karriere machen, immer auch die Erinnerung bleibt bei diesen Künstlern – ich denke nur an Thomas Hampson, der heute der große Star ist, der hier als junger Mann Mahler Lieder gesungen hat und irgendwo die Erinnerung, die Verbindung auch eine gewisse Sensibilität auch immer da bleibt. Vielleicht kommt er noch einmal, ein Versprechen haben wir – aber er singt jetzt in einer anderen Kategorie. Ja, wie schaffen wir es aus diesem regionalen Festival auch eine internationale oder europäische Veranstaltung zu gestalten. Wir sind im Gespräch auch mit wichtigen Dirigenten, die gerne nach Toblach kommen- wir hatten ja voriges Jahr Ricardo Chailly mit dem Leipziger Gewandhaus  Orchester hier. Diesmal haben wir das Mahler Chamber Orchestra mit Daniele Gatti,  auch ein Dirigent, der an Europas bedeutenden Pulten steht. Wir sind dabei darüber zu diskutieren, brauchen natürlich auch den Rückhalt der regionalen Politik, die uns da unterstützt. Wir glauben, wir bräuchten aber auch stärker, und da ist die Zeit natürlich nicht gerade günstig, die Unterstützung von bedeutenden Sponsoren. Das also ist jetzt die Herausforderung: wir müssen aus dieser Regionalität heraus, ohne die Regionalität zu verlieren, weil wir eben auch Sponsoren brauchen, die an uns glauben und dafür brauchen wir aber eine internationale , beziehungsweise europäische Bedeutung oder eine europäische Vernetzung.

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Alma Mahler ist ein wichtiger Punkt im diesjährigen Festival. Warum jetzt?

 

Viertler HansjörgDas ist ein immer wieder aktuelles Thema, weil es einfach um die Rolle der Frau in der Kunst geht und das war ja damals ganz aktuell zwischen Alma und Mahler,  der ihr ja quasi verboten hat zu komponieren, in der Meinung, sie müsse sich ganz dem Werk von ihm widmen und als Frau zur Seite stehen. Das war natürlich der Zeit gemäß, eine zeitgemäße Haltung, natürlich auch gegenüber Alma  sehr herausfordernd und sehr komplex, weil ja die Alma eine sehr freie, in ihrer Zeit auch eine sehr unabhängige Frau gewesen ist. Wir führen ja auch die Lieder zum Schluss des Festivals mit dem Bundesdeutschen Jugendorchester auf, die Lieder von Alma. Es gibt ja auch heute noch sehr unterschiedliche Meinungen von der Musikkritik, die davon redet, dass das hohe Kunst sei und andere meinen, da habe Mahler Recht gehabt, ihr das Komponieren zu verbieten. Aber insgesamt stellen wir uns natürlich im Rahmen unseres wissenschaftlichen Diskurses die Frage des Verhältnisses  zwischen der Frau  und der Kunst  und ich glaube, dass das noch heute eine interessante Diskussion ist .Es gibt kaum Komponistinnen    und es ist immer noch eine Ausnahme , dass sich Frauen dieser Kunst widmen, gerade in der Musik. Aber auch das Verhältnis, wie die Frau in der Gesellschaft insgesamt eben wahrgenommen wird. Ob das noch ein Thema ist, die Emanzipation der Frau allgemein, oder ob die Gleichberechtigung überhaupt noch ein Thema ist, das gilt es zu diskutieren.

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Wenn Sie sich mal hier in dem engeren Umfeld umschauen, gibt es da Ansätze: Kunst und Frau,  in der Literatur, der Musik?

 

Viertler HansjörgWir leben in Südtirol in einem kleinen Land – ich habe das Gefühl, dass es sehr viele junge Manschen gibt, Frauen, junge Frauen, die sich in die Kunst wagen, die sich da sehr unabhängig bewegen,  mit der Gefahr natürlich, dass sie dann auch unser Land verlassen , was ein sehr schönes Land ist , das aber nicht dazu tendiert gerade jüngere Menschen, wenn sie zum ‚schwächeren‘ Geschlecht gehören, auch zu bewahren und wenn sie dann aufbrechen, um etwas Neues zu wagen, dann in die Ferne, ins Ausland müssen. Gerade wenn es um kritische Menschen geht, um kritische Frauen, dass sie dann nicht wirklich ihr Feld hier bei uns finden.

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Das Festival trägt den Namen Gustav Mahler aber es wird nicht dominiert durch die Musik von Gustav Mahler.

 

Viertler HansjörgDas ist Absicht. Wir wollen,  seit wir hier  den Gustav Mahler Saal haben, natürlich auch jedes Jahr ein, zwei Werke von Gustav Mahler aufführen. Wollen uns aber  zum Teil auch besonders mit der zeitgenössischen Musik im Geiste Mahlers  auseinandersetzen, gerade auch mit Komponistinnen und Komponisten aus der Region, oder aus dem Alpenraum, weil wir das als Auftrag sehen ein wenig, weil ja auch Mahler – er hat mal gesagt : er verstehe die Musik von Schönberg nicht , aber er schätze sie, hat sie also verteidigt – in diesem Sinne fühlen wir uns der Musik Mahlers verpflichtet, aber auch verpflichtet ,uns mit zeitgenössischer Musik auseinanderzusetzen, was natürlich für einen Veranstalter auch immer eine Herausforderung darstellt, weil solche Projekte nicht einfach finanziell umzusetzen sind. Es ist   eine herausfordernde Aufgabe als Veranstalter sich gleichzeitig auch mit der klassischen Moderne auseinanderzusetzen, also mit z.B. der Wiener Schule, mit den Jahren 20,30, 40, und das  eine Zeit ist, die auch vom Publikum sehr dankbar aufgenommen wird. Gerade da gibt es natürlich sehr viel Literatur, die in der Kammermusik angesiedelt ist , und die auch gemessen an dem Saal den wir haben , der ja eine wunderbare Akustik hat, eine ideale Akustik für Kammermusik besitzt.

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Frauen in der Kunst dies Jahr, worum wird es im nächsten Jahr gehen?

 

Viertler HansjörgWir diskutieren momentan sehr intensiv. Es gibt einen kleinen Aufbruch und Umbruch, wir reden auch darüber, dass wir jedes Jahr wissenschaftlich ein breites Thema aufstellen möchten, es könnte Philosophie sein, es könnte auch die Hirnforschung sein- wie funktioniert Musik in unseren Köpfen, was bewirkt sie, das sind so Themen, denen wir uns nähern wollen. Was hingegen die Musik betrifft, werden wir natürlich versuchen diesen kammermusikalischen Ansatz beizubehalten, die Verpflichtung, die wir in der Region fühlen, weiterhin zu erfüllen. Aber wir sind auch in der Diskussion mit dem Mahler Chamber Orchestra, auch in Diskussion mit bedeutenden Dirigenten, die wir  an unser Festival binden möchten, mit Fenstern,  für 2, 3 Jahre, wo sie sich etwas aufbauen können, etwas gemeinsam mit uns entwickeln und dann versuchen wieder neue Partner zu finden. Das, was uns vorschwebt,  ein regionales Festival zu sein aber mit internationalem Anspruch – eben diesen Weg zu gehen.

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Dies Jahr wurde das Festival mit der 6. Sinfonie von Mahler eröffnet worden, was gibt es 2015?

 

Viertler Hansjörg Das kann ich noch nicht sagen  – die 6. ist ja auch immer sehr herausfordernd  auch für das Publikum, weil es ja die Tragische ist und auch sehr modern geschrieben.  Natürlich das Lied von der Erde und die Neunte, hier in Toblach komponiert, sollten immer auch dabei sein – wir werden sehen. Das hängt aber auch ein bisschen  von der Wahl des künstlerischen Beirates ab. Ich wünsche mir, dass es wieder Mahler sein wird, mit dem wir eröffnen können.

 

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Das Hochpustertal besteht ja nicht nur aus dem Mahlerfestival. Was gibt es sonst noch an Kultur aus dieser Region?

 

Viertler HansjörgEs gibt natürlich die Kultur der Landschaft , es gibt die Kultur, die von den Bauern immer noch mit der Landschaft gelebt wird , weil sie eben den Wald, die Wiesen, Felder bewirtschaften und  auch  die Produkte, die aus der Landwirtschaft produziert werden, daraus entsteht sehr  viel . Auch Mahler hat seine Kultur aus der Landschaft geholt , hat sie natürlich nicht beschrieben, sondern es war eine intellektuelle, geistige Verarbeitung, eine ganz persönliche Verarbeitung seines Naturerlebnisses. Ich würde  zur Kultur der Region auch den Tourismus zählen, das ist ein prägender Faktor in unserer Region, er  produziert Kultur  natürlich immer in der Frage,  wie gelingt es  Tourismus, Tradition  und Modernität in Einklang zu bringen- aber ich finde, dass viel Kultur auch in unserer Region entsteht  aus dem Dialog, der in der Region entsteht mit dem starken Tourismus im Jahr. Auch die Gastwirtschaft, die ist Teil der Kultur und sie hat sich zum Glück in eine Richtung entwickelt, das wir nicht von einem internationalen Tourismus sprechen, sondern von einer Gastwirtschaft und Gastfreundlichkeit. Wir haben ja nicht die großen internationalen Investoren hier in der Region, sondern der Tourismus entstand aus familiär geprägten Wurzeln , aus Gastwirten, die sich damit identifizieren und das auch weiterbringen  und ich denke, dass das auch  die großen Chancen sind, im Tourismus nicht eine Gefahr zu sehen, sondern eine Chance, auch die Kultur der Region weiterzuentwickeln. Da sind wir natürlich als Festival ein Teil, auch deshalb weil wir mit dem Künstler aus der Region, mit der  lokalen Kultur im Dialog stehen – auch wir möchten kein Fremdkörper sein, die nur Kultur importieren, wir wollen natürlich auch anspruchsvolle Orchester zu Gast haben, wir möchten mit ihnen auch etwas machen- also wir reden auch darüber, dass wir Orchester einladen,  Jugendorchester vielleicht, die früher oder später ein eigenes Orchester aufbauen möchten, das im Dialog steht zwischen Künstlern aus ganz Europa , aus dem mitteleuropäischen Raum,  aber auch mit den besten Musikern aus der Region – diese Dinge stehen noch an , die müssen wir noch diskutieren.

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Wenn Sie die Begriffe Tradition und Heimat mit Musik in Verbindung setzen –was  geht da in ihrem Kopf vor?

 

Viertler HansjörgDa geht sehr viel vor, natürlich auch, das sich die Jugend auch immer mehr mit traditioneller Musik auseinandersetzt, aber auf ihre Weise. Es gibt immer mehr auch diese jungen, fast frechen Ensembles, die diese Volksmusik verformen, auf ihre Art und Weise musizieren  und das finde ich sehr spannend, das hätte auch Mahler gefallen.  Auch Mahler hat sehr viel Volksmusik in seine Musik eingebracht, hat davon gelebt und hat sie  auf seine Art verarbeitet. Das finde ich sehr spannend und sehr interessant , dass für mich heute Volksmusik nicht mehr das  Vergangene ist , wie es vielleicht  in meiner Generation noch war , da hat man eher Abstand genommen von der Volksmusik und jetzt finden die jungen Menschen einen ganz neuen Zugang dazu. Ich denke, dass das der richtige Weg ist, der unverkrampfte Weg ist.

Herr Dr. Viertler – Danke für das Gespräch