die Deutsche Oper Berlin startet in die Saison 2015/16 mit den Premieren von Giacomo Meyerbeers VASCO DA GAMA (4. Oktober) und Giuseppe Verdis AIDA (22. November), und die Spielzeit endet mit der Neuproduktion von Mozarts DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL (17. Juni 2016): Dabei springt ins Auge, dass in diesen Werken das Aufeinanderprallen von Kulturen und der Umgang mit dem ‚Fremden‘ ganz direkt Thema ist. Meyerbeers Protagonist Vasco da Gama besingt in einer der berühmtesten Arien der Operngeschichte nicht nur die Schönheit Indiens, sondern proklamiert auch seinen Willen, dieses Paradies in Besitz zu nehmen – und er bereitet damit einer Jahrhunderte dauernden Unterdrückung den Weg. Die Relevanz von Kunst kann nicht zuletzt darin liegen, mit ästhetischen Mitteln einen Raum freien Denkens zu schaffen, der es uns ermöglicht, die Welt von anderen als den gewohnten Warten aus zu betrachten. Das Theater ist ein zentraler Ort für diesen Diskurs, an dem eine Gesellschaft über ihre Werte diskutieren kann und sich mit anderen Perspektiven und Meinungen auseinandersetzen muss.
Die erste Produktion, mit der wir versuchen wollen, die politischen Implikationen von Musiktheater auszuloten, ist Meyerbeers VASCO DA GAMA in der Regie von Vera Nemirova und unter musikalischer Leitung von Enrique Mazzola, die Titelpartie übernimmt Roberto Alagna. Zugleich eröffnet sie den Zyklus von Neuproduktionen der drei bedeutendsten Opern Meyerbeers: es folgen DIE HUGENOTTEN (2016/17, Regie: Stefan Herheim) und DER PROPHET (2017/18).
In der zweiten Neuproduktion AIDA wird – ganz ähnlich wie im VASCO DA GAMA – die Frage nach der Möglichkeit persönlichen Glücks gestellt, welches im Gegensatz zu den Regeln autoritärer Systeme steht. Weder Aida noch Radames noch Amneris – diesen drei kammerspielartig miteinander verbundenen Hauptfiguren – wird die freie Gestaltung eines eigenen Lebensplans zugestanden. Regie führt Benedikt von Peter, der sich mit seinen Produktionen in Basel, Hannover und Bremen in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten und innovativsten Regisseure seiner Generation entwickelt hat, seine INTOLLERANZA 1960 wurde im Jahr 2011 mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST ausgezeichnet. Die musikalische Leitung übernimmt Andrea Battistoni, der an der Deutschen Oper Berlin bereits die Neuproduktion von NABUCCO dirigiert hat. Die Titelpartie übernimmt Tatiana Serjan, die Partie der Amneris Anna Smirnova und den Radames Alfred Kim.
So wie AIDA auf den Spielplan eines Hauses wie die Deutsche Oper Berlin gehört, so ist auch Richard Strauss’ SALOME zentraler Bestandteil des Repertoires, unsere dritte Neuproduktion mit Premiere am 24. Januar 2016. Dirigieren wird Alain Altinoglu und für die Regie kommt zum ersten Mal Claus Guth an die Deutsche Oper Berlin, in der Titelpartie erleben Sie Catherine Naglestad und als Jochanaan Michael Volle.
Die vierte Premiere auf der großen Bühne, Leoš Janáčeks DIE SACHE MAKROPULOS am 19. Februar 2016, liegt musikalisch in den Händen von Generalmusikdirektor Donald Runnicles, dessen Herzensangelegenheit – und daran kann seit der grandiosen JENŮFA kein Zweifel bestehen – die Pflege des Janáček-Repertoires ist. Für die Hauptpartie der gleichzeitig eisig abstoßenden und unwiderstehlich anziehenden Emilia Marty ist eine Sängerdarstellerin sehr großen Formats erforderlich. Wir sind froh, dass Evelyn Herlitzius in dieser Produktion ihr Rollendebüt geben wird. Das Team David Hermann und Christof Hetzer, das bereits mit Lachenmanns DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN und ORESTEIA zwei viel beachtete Inszenierungen am Haus erarbeitet hat, wird Regie und Ausstattung für DIE SACHE MAKROPULOS verantworten.
In den letzten drei Jahren haben wir die Spielzeit jeweils mit einem Werk des Musiktheaters der Moderne begonnen: das waren Lachenmanns DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN, Mauricio Kagels DIE HIMMELSMECHANIK und Iannis Xenakis‘ ORESTEIA. Diese Reihung hat eindrücklich gezeigt, dass auch nach 1950 die Geschichte des Musiktheaters mit Meisterwerken weitergeschrieben wurde. Mit der vor uns liegenden Saison beginnen wir eine Serie von Uraufführungen, die von 2015/16 an jährlich fortgesetzt wird. Am 29. April 2016 steht Georg Friedrich Haas‘ neueste Oper MORGEN UND ABEND nach einem Roman von Jon Fosse auf dem Spielplan, die wir in Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden herausbringen. Inszenieren wird Graham Vick, die musikalische Leitung hat Michael Boder, Klaus Maria Brandauer verstärkt das Ensemble in der Rolle des Olai.
Bei Mozarts ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL (Premiere am 17. Juni 2016) steht wiederum Donald Runnicles am Pult, der argentinisch-spanische Regisseur Rodrigo García erarbeitet mit der ENTFÜHRUNG seine erste Opernarbeit. Zuletzt war von ihm in Berlin beim Festival Foreign Affairs 2012 seine Inszenierung „Gólgota Picnic“ zu sehen, an deren Ende der Pianist Mario Formenti Haydns „Sieben letzte Worte“ – alleine am Flügel mitten auf der Bühne – spielt, während die Schauspieler und das Publikum der zuvor präsentierten, oft ironischen Anklage all des Schlechten in der christlich-abendländisch sozialisierten Welt nach zu lauschen scheinen.
Zum Start seiner Intendanz konnte Dietmar Schwarz mit der Tischlerei eine zweite Spielstätte an der Deutschen Oper Berlin eröffnen, die inzwischen zu einem unverzichtbaren Bestandteil unseres Profils geworden ist: Mit ihren Kinder- und Jugendproduktionen, der Zusammenarbeit mit Hochschulen und der Freien Szene, aber auch mit experimentellen Musiktheaterformen leistet sie vieles, was unbedingt zu einem lebendigen Opernhaus gehört, aber auf der großen Bühne nicht den richtigen Raum fände. Insofern sind wir froh, Ihnen auch in der Saison 2015/16 fünf Neuproduktionen mit innovativen Musikern und Regieteams bieten zu können. Beispielhaft sei hier die Uraufführung des Kinder- und Jugendmusiktheaters DIE IRRFAHRTEN DES ODYSSEUS von Ole Hübner am 2. Oktober erwähnt, Regie führt das an den freien Produktionshäusern des deutschsprachigen Raums bestens eingeführte Regieteam Harriet Maria und Peter Meining. Mit SENSOR wird am 23. Januar ein „Elektrisches Musiktheater“ von Konrad Boehmer uraufgeführt, das dieser auf den Text „Bewegungsmelder“ von Albert Ostermaier komponiert hat. Regie führt Verena Stoiber, die zusammen mit ihrer Ausstatterin Sophia Schneider den RING AWARD 2014 gewonnen hat.
Bereits jetzt haben wir angekündigt, dass in der Saison 2016/17 DER RING DES NIBELUNGEN von Götz Friedrich zum letzten Mal gespielt wird (im April 2017). Selbstverständlich setzt diese Entscheidung voraus, dass man jemanden gefunden hat, von dem man überzeugt ist, dass er einen neuen RING auf Augenhöhe dieser legendären Produktion schaffen kann. Wir freuen uns also, Sie schon heute wissen zu lassen, dass die Deutsche Oper Berlin ab 2020 eine Neuinszenierung des RING DES NIBELUNGEN in der Regie von Stefan Herheim zeigen wird.