Das erste Programm in einer neuen Dekade des musikalischen Lebens der Frauenkirche eröffnet neue Welten. 126 Angebote wurden um die beiden assoziativreichen Motive re|creation und welt|weit entwickelt und laden zu Neuentdeckungen ein.
„Dass die Frauenkirche eine klingende Kirche ist, hat sie in der ersten Dekade seit der Weihe 2005 unter Beweis gestellt. Seit 10 Jahren gestalten wir das geistliche Leben in Gottesdienst, Andacht und eigens entwickelten Formaten mit vortrefflicher Kirchenmusik“, erklärt Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt. „Es ist geglückt, ein künstlerisch hochwertiges und sich selbst tragendes Konzertwesen in einer bereits dichten Kulturlandschaft Dresdens zu etablieren. Das macht Lust auf die nächsten 10 Jahre“, ergänzt Christine Kageneck, kaufmännische Leiterin der Stiftung Frauenkirche Dresden.
Das vielfältige Programm bietet im kommenden Jahr 50 Konzerte zzgl. zweier Mitsingveranstaltungen, 22 Geistliche Sonn- bzw. Festtagsmusiken, 38 Orgelabende, 12 Familien- bzw. Jugendangebote und zwei Adventsliedersingen. Es setzt auf die Balance aus formatpflegender Kontinuität und inhaltlicher Weiterentwicklung.
Kirchenmusik zwischen Wiederentdeckung und Neuschöpfung
„Die Musica sacra an der Dresdner Frauenkirche ist anspruchsvoll in ihrer Beständigkeit und inspirierend in ihrer Offenheit für Neues“, erklärt Frauenkirchenkantor Matthias Grünert. Er hat für das Musikjahr 2016 ein musikalisches Paket geschnürt, das die Begegnung mit den großen Werken der Kirchenmusik ebenso ermöglicht wie das Wiederentdecken verschollener Kompositionen bis hin zum erstmaligen Hören von Neuschöpfungen. So wird anlässlich des Jahrestages der Zerstörung Dresdens die a cappella-Motette »Vater vergib« Grünerts uraufgeführt. Die Vertonung der Versöhnungslitanei von Coventry steht in der Tradition des Anfang diesen Jahres erstmals musizierten »Pater noster« und wird fester Bestandteil der Programme der Chorreise sein, die den Kammerchor der Frauenkirche durch deutsche Nagelkreuzzentren führt. Bereits am Neujahrstag erklingt der eigens komponierte Kanon zur Jahreslosung; eine Tradition, die der Frauenkirchenkantor ebenso bereits seit mehrerenJahrenpflegt.
In den Geistlichen Sonntagsmusiken, von denen es 22 geben wird, werden sechs Kantaten von Homilius wiedererstaufgeführt. Die vermutlich seit der Zeit des Komponisten in Dresden nicht musizierten Werke wurden in den Beständen der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek entdeckt und aufwändig für die beiden Neuaufführungen in der Trinitatiszeit und am ersten Advent aufbereitet. Ohnehin sind die Geistlichen Sonn- und Festtagsmusiken über das ganze Jahr hinweg ein sprudelnder Quell für das Entdecken sakraler Werke. „Sie präsentieren in Musik gesetzte Predigten“, so Grünert. 2016 erklingen u.a. vier große Haydn-Messen, sieben Motetten bzw. Kantaten von Bach und eine Messvertonung von Mozart. Als Dresdner Reverenz wird zudem Zelenkas »Missa Omnium Sanctorum« aufgeführt.
Ein Komponist, der im kommenden Jahr kirchenmusikalisch besonders gewürdigt wird, ist Max Reger. In zeitlicher Nähe zu seinem 100. Todestag führen der Chor der Frauenkirche und das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera seine »Romantische Suite« auf. Außerdem durchziehen den die Innenstadtkirchen verbindenden Dresdner Orgelzyklus, der 2016 in sein zehntes Jahr geht, Programme mit Reger-Werken. Natürlich bleibt Johann Sebastian Bach als musikalischer Pate von besonderer Bedeutung, was sich u.a. an der Neuauflage des BACHzyklus mit insgesamt 10 Konzerten und den Programmen weiterer Orgelreihen zeigt.
Bei all der kirchenmusikalischen Fülle sind die Klangkörper der Frauenkirche die tragenden Pfeiler. Chor, Kammerchor und ensemble frauenkirche gestalten – neben ihren gottesdienstlichen Verpflichtungen – insgesamt 30 Angebote aus, die von Jugendangeboten über Sonntagmusiken bis zum großen Konzert reichen. Der Kammerchor ist außer in den traditionellen Aufführungen der Johannespassion, der h-Moll Messe und des Weihnachtsoratoriums von Bach auch in Aufführungen des Mozart-Requiems, Haydns »Schöpfung« und eigens zusammengestellten Festmusiken für das kurfürstliche sächsische Haus im Abschusskonzert der Frauenkirchen-Bachtage zu erleben. Der Chor führt u.a. Brahms‘ »Schicksalslied« und Mendelssohn-Bartholdys »Paulus« auf.
Das Konzertjahr 2016: Assoziativ, kreativ, schöpferisch
Bereits die Gestaltung der Programmbroschüre zeigt, dass die Konzerte im kommenden Jahr Horizonte öffnen und neue Einblicke freigeben wollen. Dramaturgische Ausgangpunkte sind – anders als in vorangehenden Jahren – keine festen Konzertreihen, sondern vielmehr zwei Assoziationen: re|creation und welt|weit. Entsprechende Schlüsselwerke stellen Haydns Oratorium »Die Schöpfung«, Rebels »Elemente« und Dvoráks Sinfonie »Aus der neuen Welt« dar.
„In diesem Kontext stellt sich für uns immer wieder die Frage: Was ist der Mensch?“, erklärt Dr. Ralf Ruhnau, Konzertmanager der Stiftung Frauenkirche Dresden. So erklingen bspw. »Die vier Jahreszeiten« von Vivaldi und Piazzolla in diesem Zusammenhang als Sinnbild für die vier Lebensabschnitte. Mit Bezug zu dem, was den Menschen ausmacht, hat die bekannte Publizistin Elke Heidenreich ein Programm unter dem Titel »Nachtgedanken« konzipiert. Beethovens »Eroica« und das »Schicksalslied« von Brahms haben vor diesem Hintergrund Eingang ins Programm gefunden. „Das Spektrum umfasst die wesentlichen Aspekte menschlicher Existenz wie Liebe, Tod und Auferstehung“, so Ralf Ruhnau.
Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar) erlebt Roger „Moreno“ Rathgebs »Requiem für Auschwitz« in der Frauenkirche seine Dresdner Erstaufführung. Der holländische Sinto-Musiker schrieb das chorsinfonische Werk wider das Vergessen. „Es gedenkt der Opfer und ist gleichzeitig eine Hommage an das Leben“, erklärt Barbara Damm, Programmleiterin Musik und Musiktheater in HELLERAU. „Dass die Aufführung mit den Roma- und Sinti-Philharmonikern unter der Leitung von Riccardo Sahiti in der Dresdner Frauenkirche stattfinden wird, freut uns sehr, denn dieser Ort steht wie kaum ein zweiter in Deutschland als Symbol für Erinnerung und Versöhnung. HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden und die Stiftung Frauenkirche Dresden setzen damit gemeinsam ein Zeichen der Erinnerungskultur in Sachsen und würdigen erstmals die Opfer des Völkermordes an den europäischen Sinti und Roma“, so Damm.
HELLERAU ist einer von drei neuen Partnern der Frauenkirchenkonzerte, genau wie das Albertinum und die Jüdische Musik- und Theaterwoche. Sie erweitern das starke Netzwerk, das bereits langjährig mit den Dresdner Musikfestspielen, der Dresdner Philharmonie, dem Heinrich Schütz Musikfest, dem MDR Musiksommer und der Sächsischen Staatskapelle besteht. „Mit kreativen Partnern, innovativen Programmen und ausdrucksstarken Künstlern arbeiten wir daran, dass die Frauenkirche auch im Konzertjahr 2016 ein Kraftfeld ist, in dem unser Publikum neue Zuversicht, Freude und Phantasie aus der Musik schöpfen kann“, verspricht Ruhnau.
Große Namen, starke Momente
Im neuen Musikjahr erwartet das Publikum starke künstlerische Momente mit herausragenden Musikern. Der amerikanische Starbariton Thomas Hampson ist in der Frauenkirche erstmals in einem eigenen Konzert zu hören, dessen Programm u.a. mit Werken von Brahms und Barber er dem Publikum auch mit Worten nahebringen möchte. Anne-Sophie Mutter gibt sich nach einigen Jahren wieder die Ehre, begleitet vom London Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Robin Ticcati. Dieses Ereignis wird finanziell unterstützt von der Ostsächsischen Sparkasse Dresden. Daniel Hope ist der Frauenkirche eng verbunden und gibt im Rahmen der Frauenkirchen-Bachtage gemeinsam mit dem Pianisten Sebastian Knauer seinen ersten Soloabend. Alison Balsom, Ludwig Güttler und Albrecht Mayer haben sich angesagt; wohltuende Wiederbegegnungen gibt es zudem mit den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker, dem Tölzer Knabenchor und dem Thomanerchor Leipzig unter der Leitung des neuen Thomaskantors.
Nach dem erfolgreichen Auftakt 2015 stehen auch im kommenden Jahr zwei Aufführungen auf dem Programm, die Text und Musik ausdrucksstark verschmelzen: Sebastian Koch liest in einem Konzert des Württembergischen Kammerorchesters aus Briefen, Tagebüchern und Dokumenten der Bach-Familie; Elke Heidenreich bereichert die Aufführung romantischer Gesänge von Brahms und Mendelssohn durch das Vokalensemble Calmus mit Texten von Proust, Tieck und Kästner.
Eine Weiterentwicklung erfährt das Konzept der kreativen Musikvermittlung: Neben den bewährten Konzerteinführungen, Werkstatt- und Gesprächskonzerten sowie dem „Musikalischen Klassenzimmer“ wird es erstmals vor drei ausgewählten Konzerten Kunstgespräche im Albertinum geben: Das Konzertprogramm wird in Bezug gesetzt zu je einem ausgewählten Objekt der Bildenden Kunst. „Auch auf diese Weise eröffnen sich neue Welten und werden die Grenzen der Wahrnehmung erweitert“, freut sich Ralf Ruhnau über diese neue und spannende Erweiterung des Konzertangebots.
Von besonderem Reiz sind die Konzerte mit jungen, kreativen und bereits erfolgreichen Musikern. Fortgesetzt werden die Konzerte mit Preisträgern des ARD-Musikwettbewerbs; entdeckenswert sind darüber hinaus das SIGNUM Saxophonquartett und die Junge Deutsche Philharmonie, die in der Frauenkirche mit Pekka Kuusito einen der international aufregendsten jungen Geiger konzertiert.