Die Maßnahme Erste Wiederaufführung in Originalbesetzung mit über 250 SängerInnen,

Die Initiative „Die Maßnahme“ wagt das Experiment und bringt Brechts „Theaterstück der Zukunft“ zum erstenmal seit den 1930er Jahren original in der Tradition der Arbeiter-Chöre auf die Bühne. Über 250 Berlinerinnen und Berliner singen mit. Der Ort und die Aufführung sind barrierefrei, denn auch ein Gebärdenchor ist dabei .Szenisches Konzert eines Lehrstückes von Bertolt Brecht und Hanns Eisler aufgeführt von der Initiative „Die Maßnahme“

Die Maßnahme
Erste Wiederaufführung in Originalbesetzung mit über 250 SängerInnen – Philharmonie, Kammermusiksaal – 8.April 2016, 20.00

Eines der bekanntesten Lieder aus „Die Maßnahme“ heißt „Ändere die Welt, sie braucht es.“ Voraussetzung dafür ist es „nach einer besseren Möglichkeit zu fragen.“ Das Meisterwerk von Bertolt Brecht und Hanns Eisler ist eine Versuchsanordnung für diese Frage – ein Instrument der sozialen Fantasie und des Fortschritts. Entlang der Figur des „Jungen Genossen“ und seiner Wiederkehr in die Gesellschaft wird mit der Frage nach Widerstand, Ich-Stärke und kollektivem Handeln heute experimentiert.

Bertolt Brecht und Hanns Eisler führten ihr erstes Gemeinschaftswerk in 1930 bis 1932 mit rund 300 Arbeiter-SängerInnen im gemischten Chor auf. Die Nationalsozialisten verboten das Werk. 1956 verfügte Brecht ein Aufführungsverbot. Trotzdem ernannte er „Die Maßnahme“ zum Modell für ein Theater der Zukunft. 1997 wurde das Aufführungsverbot aufgehoben, doch es wurde nie wieder in der ursprünglichen Fassung, als Lehrstück mit Arbeiter- bzw. Laien-Chören aufgeführt.

Vor 1933 gab es in Deutschland eine halbe Million Arbeiter-Sängerinnen. Nach 1945 war diese Bewegung erloschen. Wer sind die Stimmen von „Die Maßnahme“ im Jahr 2016? Es wirken mit: Ein Frauenchor, ein Gebärdenchor, ein Obdachlosenchor, politische Chöre, Menschen mit unterschiedlichen Herkünften und sozialen Kompetenzen.

Gemischter Chor aus 10 Chören: Coro Contrapunto, „Die Maßnahme“-Projektchor mit SängerInnen des Chores der werktätigen Volksbühne, Erich-Fried-Chor, Ernst-Busch-Chor Berlin, Frauenchor Con Passione, Gebärdenchor, GEBEWO-Brückeladen-Chor mit SängerInnen von Ratten 07, Hanns Eisler Chor Berlin, Mitglieder des hardChor „ELLA“, Politchor
Orchester: Damir Bacikin (Trompete), Callum G’Froerer (Trompete), Christian Ahrens (Trompete), Till Krause (Posaune), Martin Curth (Posaune), Marcus Weisser (Horn), (Horn), Viorel Ciriacescu (Pauke), Fabian Musick (Schlagzeug), stefanpaul (Klavier)
DarstellerInnen: Ensemble Initiative „Die Maßnahme“ mit DarstellerInnen von Ratten 07
Musikalische Leitung: Marcus Crome, Szenische Leitung: Fabiane Kemmann, Künstlerische Begleitung: Barbara Nicolier
Text: Bertolt Brecht, Musik: Hanns Eisler
Produktion: Initiative „Die Maßnahme“

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Initiative „Die Maßnahme“
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Marcus Crome (musikalische Leitung) dirigierte 1997 die erste offizielle deutsche Wiederaufführung von „Die Maßnahme“ am Berliner Ensemble und hatte 2008 an der Volksbühne Berlin die musikalische Leitung und Chorleitung inne. Er übernahm die musikalische Leitung und Chorleitung unter anderem für Einar Schleef, Frank Castorf, Dimiter Gotscheff, Michael Thalheimer, Claus Peymann und Christoph Mehler.

Fabiane Kemmann (szenische Leitung und Produktions-Leitung) engagierte sich für Theaterarbeit gegen Kinderarbeit bei „Children in Need“ in Accra/Ghana, schrieb unter anderem für die Box des Deutschen Theaters Berlin und war Regie- und Dramaturgie-Mitarbeiterin Dimiter Gotscheffs in seinen letzten Inszenierungen.

Barbara Nicolier (künstlerische Leitung) erarbeitete in sieben Jahren zehn Inszenierungen mit vielköpfigen Ensembles in Kooperation zwischen der Univeriste Paris Pantheon Sorbonne und dem Theatre National de La Colline. Sie inszenierte am Theatre de Vidy Lausanne, TGP-CDN de Saint Denis und Schauspielhaus Salzburg. Weitere Arbeiten entstanden in Spanien, Montenegro, Za-Koenji (Tokyo) und Deutschland.

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Die Chöre

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Die Chöre erarbeiten die Partitur mit Ihren ChorleiterInnen an ihrem jeweiligen Probenort unabhangig von einander. Einige Chöre öffnen ihre Proben und nehmen sozial Benachteiligte und Vertriebene in ihre Mitte. Auf diese Weise finden die Proben an verschiedenen öffentlichen Orten Berlins teilweise gleichzeitig statt und es entsteht ein bewegliches Netzwerk.

„Die Maßnahme“ Projektchor
setzt sich zusammen aus SängerInnen der werktätigen Volksbühne, SängerInnen aus mindestens sechs verschiedenen Berliner Chören, SängerInnen aus sozialen Einrichtungen Berlins und Sängerinnen in freier Eigeninitiative. Einigen SängerInnen des ist die Partitur vertraut – aus den Aufführungen im BE 1997, in der Volksbühne 2008 und aus der Realisation eines Prototyps des Projekts „Die Maßnahme“ im Juni 2014. Der Chor soll Menschen mit erfahrenen Stimmen und solche, die zum ersten Mal in ihrem Leben singen, zu einem guten Klang verschmelzen. Außerdem soll die musikalische Arbeit das Gemeinschaftserlebnis beim Umgang mit Musik stärken.

Berliner Gebärdenchor
Der Berliner Gebärdenchor der Evangelischen Gehörlosengemeinde ist kein gewöhnlicher Chor, denn er zeigt in der Muttersprache der tauben Menschen, der Gebärdensprache, religiöse Lieder als ausdrucksstarke Bewegungs-Poesie. Das Zusammenspiel aus Empfindung, Mimik und Gebärdensprache wird zu einem besonderen Raumerlebnis vor allem für taube Menschen aber auch für Hörende. Bei dem Chöre-Projekt „Die Maßnahme“ von Brecht und Eisler wurde der Berliner Gebärdenchor mit eingeladen in seiner eigenen Sprache das Projekt in seiner Mehrstimmigkeit mit zu unterstützen. Mit diesem Beitrag möchte der Berliner Gebärdenchor seine Gebärdenpoesie zeigen und weitertragen, damit sie für Hörende und Taube gleichfalls ein Erlebnis wird.!

GEBEWO Brückeladen-Chor
gründete sich für „Die Maßnahme“. Der Kontakt -und Beschaftigungsladen ist ein Treffpunkt für arbeitslose, suchtkranke, und (ehemals) wohnungslose oder von der Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. Im Brückeladen können die Besucher kreativ tatig werden und andere Menschen kennen lernen. Ziel ist es eine aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, um damit der Isolation entgegen zu wirken. Des Weiteren bleibt die Kontaktfahigkeit erhalten, die Kommunikationsfahigkeit und Orientierung werden gestarkt und die funktionellen Fahigkeiten der Geschicklichkeit werden gefördert.

hardChor ELLA
 existiert seit 24 Jahren an der Kurt-Tucholsky-Schule in Berlin Pankow.
„Als Chor an einer Schule sind wir bemüht, in unsere Arbeit eine große Bandbreite an kultureller Vielfalt einzuflechten, um den jungen Sängerinnen und Sängern ein möglichst großes Bildungsangebot zu geben. Uns ist es wichtig, Chorgesang nicht als Mittel zu Unterhaltung, sondern als Form der kulturellen Kommunikation untereinander, und der Begegnung mit anderen Ländern, Völkern und Zeiten kennenzulernen. Unserem Namenspatron verpflichtet, suchen wir immer wieder auch Gelegenheiten, uns mit komplexen, auch brisanten Fragen unserer eigenen Gegenwart und Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Für uns kann die Mitwirkung an dem Projekt all diese Bildungs- und Arbeitsziele verbinden. Wir werden die Arbeit am Projekt mit in unsere reguläre Probenarbeit einbeziehen und im Laufe dieses Prozesses die Mannschaft der letztlich Mitwirkenden aufstellen.
Besonders interessant für unsre Arbeit ist das Werkformat „Lehrstück“, das in besonderem Maße die bewusste, denkende Mitarbeit der einzelnen voraussetzt und provoziert. Das trifft sich mit unserer Auffassung, dass ein Ensemblemusiker eben in erster Linie Gestaltender ist und nicht einfach nur Ausführender.
Dabei ist die Thematik von hoher ethischer Schwere – so wird man hautnah erleben, dass solch engagiertes Mit-Wirken eben nicht reibungs- und widerspruchslos verlaufen kann. Ebenso wird für die Jugendlichen die Erfahrung wichtig werden, dass so viele Laiensänger diese Aufgabe übernehmen – und vor allem, dass das für die Uraufführung genau so vorgesehen war. Das gibt wichtige Blicke auf Bereiche der Geschichte frei, die heutzutage oft eher im Schatten der Schlagworte bleiben.“

und weitere Chöre

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Die Tradition der Arbeiter-Chöre

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Das Singen der Arbeiterlieder und ihre künstlerischen Weiterentwicklungen wie „Die Maßnahme“ gehört seit 2014 zum immateriellen UNESCO Kulturerbe Deutschlands:

„Mit der musikalisch innovativen Aufnahme und Weiterentwicklung der Arbeiterlieder durch Kurt Weill, Hanns Eisler und Bertolt Brecht erreichten sie im deutschen Kulturraum eine hohe künstlerische Entwicklungsstufe, die international besondere Anerkennung erfahren hat. (…) Das Singen der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung bietet ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Volkskultur in Deutschland immer wieder aus fortschrittlichen und demokratischen Ansatzen heraus neu gestaltet und interpretiert wurde. Sie sind über weite Strecken der deutschen Geschichte verboten und unterdrückt worden und konnten nur unter schweren Bedingungen aufgeführt werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Lieder der Arbeiterbewegung in Deutschland zunachst wiederentdeckt und wieder erlernt werden.“
(Deutsche UNESCO Kommission e.V.)
www.unesco.de/kultur/immaterielles-kulturerbe/bundesweites-verzeichnis/eintrag/singen-der-lieder-der– deutschen-arbeiterbewegung.html

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Mehrstufiger Arbeitsprozess
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Was mit dem Meisterwerk heute zu lernen ist, kann nur der Arbeitsprozess zeigen. Inhalt und Form sind dazu angelegt, die Mitwirkenden miteinander agieren und sich auseinandersetzen zu lassen. Die Auswertung der Prototypen auf gesellschaftlicher, künstlerischer, dramaturgischer, ökonomischer und politischer Ebene schafft die Basis, auf der die Aufführung entwickelt wird.

Die stufenweise Zusammenführung des Gemischten Chores, des Orchesters, der DarstellerInnen, der Sopranistin und des Publikums ermöglicht die einmalige, authentische Konfrontation mit den aufgeworfenen Themen und Fragen.

Philharmonie, Kammermusiksaal – 8.April 2016, 20.00