Ein großer Verlust für Polen

Von Florian Kellermann    Deutschlandradio

 

Andrzej Wajda war bis zuletzt ein höchst politischer Mensch. In seinem letzten Interview sagte er über die Atmosphäre in Polen:

„Es gefällt mir nicht, dass eine Gruppe das Land so klar dominiert. Das ist doch keine Demokratie. Ich verstehe, dass unser Wahlsystem dazu geführt hat. Aber wir können nicht alle einer Gruppierung unterordnen, denn diese repräsentiert nicht die ganze Gesellschaft. Und wenn jemand anders denkt, dann heißt es: Ihr könnt doch ins Ausland gehen, wir wollen Euch hier nicht.“

Dass er auf die rechtskonservative Regierungspartei PiS nicht gut zu sprechen ist, die im Parlament mit absoluter Mehrheit regiert, machte Wajda immer wieder deutlich. Nicht zuletzt durch seinen Film über Lech Walesa, den ehemaligen Anführer der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarnosc“. „Mann der Hoffnung“ nannte Wajda ihn in seinem historischen Portrait, obwohl die PiS sich längst auf den Friedensnobelpreisträger eingeschossen hatte.

Das hinderte den polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda, der aus der PiS stammt, nicht daran, als einer der ersten einen kurzen Nachruf zu veröffentlichen. Als „herausragenden Regisseur“ bezeichnete Duda den mit 90 Jahren Verstorbenen.

Ergriffen zeigte sich der Schauspieler Daniel Olbrychski, der in 13 Wajda-Filmen auftrat:

„Ich habe in meinem Leben keinen Regisseur getroffen, der es so verstanden hätte, mit den Schauspielern zu arbeiten. Er hat die Menschen geliebt, mit denen er gearbeitet hat. Gleichzeitig war er ihr schärfster Kritiker. Wenn er die Stirn auch nur ein bisschen in Falten gelegt hat, habe ich gewusst, dass ich in der nächsten Aufnahme besser machen muss.“

Oscar und Goldenen Ehrenbären für Lebenswerk

Wajda erhielt im Jahr 2000 den Oscar und 2006 auf der Berlinale den Goldenen Ehrenbären, beides für sein Lebenswerk.

Schon in den 1950er-Jahren eckte er bei den kommunistischen Machthabern an. Wajda weigerte sich, die Konvention des sozialistischen Realismus zu übernehmen. So war der Held seines Dramas „Asche und Diamant“, das unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg spielt, nicht der kommunistische Funktionär wie in der Buchvorlage. Vielmehr machte Wajda einen Kämpfer der polnischen Heimatarmee zur Hauptfigur. 20 Jahre später hatte der Regisseur auch internationalen Ruhm erlangt und schaffte es deshalb, einen offen regimekritischen Film zu drehen. „Der Mann aus Marmor“, erschienen 1977,  legt die Verlogenheit und die Zensur in der Volksrepublik Polen bloß. Wajda erinnerte sich später:

„Ich habe 13 Jahre warten müssen, bis ich den Film umsetzen konnte. So lange lag das Drehbuch bei mir in der Schublade. Jedes Jahr habe ich nachgefragt, aber die Politiker wollten ihn nicht. Erst, als sich der politische Wind ein wenig geändert hatte, konnte ich loslegen und habe den ´Mann aus Marmor` sogar beim polnischen Filmfestival zeigen können.“

Wajda engagierte sich beim Streik auf der Danziger Leninwerft drei Jahre danach und bei der Entstehung der Gewerkschaft „Solidarnosc“. Später kehrte er in seinem Schaffen immer wieder in die Zeit der Volksrepublik zurück, so bei seinem letzten, gerade erst vorgestellten Film „Powidoki“, dem diesjährigen polnischen Kandidaten für den Oscar. Er handelt von einem Maler, der den Sozialistischen Realismus als Stil ablehnt.

Mit Andrzej Wajda verliert Polen eine seiner größten künstlerischen Persönlichkeiten.

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