Das 53. Jazzfest Berlin wird von den Berliner Festspielen dieses Jahr in einer „extended version“ vom 1. bis 6. November mit zwei Vorkonzerten veranstaltet: Am 1. November präsentiert Matana Roberts mit Berliner Musiker*innen die Performance „For Pina“ in der Rekonstruktion des berühmten Lichtburg-Probenraums im Rahmen der aktuellen Pina-Bausch-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau. Am 2. November wird der Sänger Michael Schiefel mit dem Wood & Steel Trio mit Hollywood-Liedern von Hanns Eisler „Songs out of Exile“ im Institut français auftreten. Die neuen Spielorte, Reflexionsflächen und Konstellationen aus Musiker*innen, insbesondere die Kombination aus internationalen und aus Berlin stammenden Künstler*innen, ermöglichen neue Formen der „Konversation“, die sich in den weiteren Konzertprogrammen des Jazzfest Berlin 2016 fortsetzen. So wird beim Eröffnungskonzert des Festivals, das erstmalig in Anwesenheit der Staatsministerin für Kultur und Medien Prof. Monika Grütters MdB stattfindet, die erste musikalische Begegnung der jungen Altsaxofonistin Anna-Lena Schnabel mit dem Julia Hülsmann Quartett zu erleben sein. Außerdem stehen auf dem Programm des Abends die Saxofonstin Mette Henriette aus Norwegen mit Ensemble – ebenfalls eine Premiere – und der Trompeter Wadada Leo Smith mit seinem Great Lakes Quartet.
Beim Presse- und Publikumsgespräch am 18. Oktober mit Musik von Eve Risser und Alexander von Schlippenbach mit Axel Dörner stellte der künstlerische Leiter Richard Williams das Programm der diesjährigen Festivalausgabe vor. In diesem Jahr werden von den insgesamt 22 Jazzformationen zwölf von Frauen geleitet. In diesem Zusammenhang fand eine Diskussion statt, die sich auf die am 28. Juni 2016 von Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters vorgestellte Studie „Frauen in Kultur und Medien“ und der auch durch das BKM geförderten und im März 2016 veröffentlichten Jazzstudie 2016 bezog – Jazz wird also noch stärker zur Sache des Bundes.
Es diskutierten Franziska Buhre (freie Journalistin), Lucia Cadotsch (Sängerin),Dr. Wolfram Knauer (Jazzinstitut Darmstadt) und Nikolaus Neuser (Trompeter, 1. Vorsitzender IG Jazz), moderiert von Nadin Deventer (Jazzfest Berlin) zum Thema „Die Gläserne Decke / Glass Ceiling – Einbildung oder Realität? Wie offen, gleichberechtigt und divers ist der Jazz heute wirklich?“
Fransziska Buhre „Die Frauen sind da, aber wie schaffen wir es durch gemischte Teams und eine ausgewogene Programmierung dies sichtbar zu machen. Es geht um systemische Ausgrenzung. Durch diesen Begriff wird deutlich, man darf das Problem nicht an einem Aspekt festmachen z.B. Sexismus, sondern an einer Reihe von Aspekten wie der Sprache, Ästhetik oder Strukturen, mit denen aktiv umgegangen werden muss.“
Dr. Wolfram Knauer „Ich finde Quotenregelung, was ein Konzertprogramm betrifft problematisch, aber es ist notwendig, dass mehr Frauen Programme machen, von Clubs und Festivals, mehr Jazzinstitute von Frauen geleitet werden. Und Jurys haben, verdammt nochmal, paritätisch besetzt zu sein – das geht nicht mehr anders im Jahr 2016.“
Nikolaus Neuser als Vertreter der IG-Jazz sieht ebenfalls genau hier den Ansatzpunkt, in einer Quotenregelung für die Entscheidungsebene, hingegen aber, dass die Musik, die Kunst selbst, frei sein muss von jeder Quote.
Selbst wenn die künstlerische Selbstwahrnehmung frei von Genderfragen ist, wie es die Sängerin Lucia Cadotsch formulierte, und die Frage nach der Relevanz und Qualität von Musik fernab jeglicher Quotenregelung funktionieren muss, so ist doch gerade die Geschichte des Jazz derart durch die Männerdominanz geprägt, dass auch bei der Programmgestaltung eine Quotenregelung notwendig ist, um ein Umdenken zu ermöglichen, sagte Gregor Hotz vom Club „ausland“.
Die Diskussion wurde auf Periscope und auf der Jazzfest Berlin Facebook Seite (zeitlich unbegrenzt abrufbar) live gestreamt und wird noch in Auszügen auf demBLOG der Berliner Festspiele erscheinen. Außerdem ist der Abend als Tonaufnahme auf Voice Republic nachhörbar.
Die Abende des Jazzfest Berlin 2016 vom 3.-6. November werden erstmaligalle live von den ARD-Rundfunkanstalten, dem rbb Kulturradio und Deutschlandradio übertragen. Jazzfest Berlin im Radio
Die Beilage zum Jazzfest Berlin 2016 mit Essays zum Programm ist erschienen.