Milo Rau, Schweizer Regisseur, Theaterautor, Essayist und Wissenschaftler, erhält den mit 10.000 Euro dotierten 3sat-Preis für seine Inszenierung „Five Easy Pieces“. Ein mutiges, die Zuschauer*innen herausforderndes Stück über das Leben und die Verbrechen des Belgiers Marc Dutroux, nachgestellt von Kindern zwischen 8 und 13 Jahren.
Auf verschiedenen Ebenen thematisiert „Five Easy Pieces“ den Missbrauch oder die Instrumentalisierung von Kindern für die Bedürfnisse von Erwachsenen. Seit 1997 vergibt 3sat als Medienpartner des Berliner Theatertreffens alljährlich den 3sat-Preis für eine künstlerisch innovative Leistung an eine/n oder mehrere Künstler*innen aus dem Kreis der eingeladenen Ensembles. Bisherige Preisträger*innen waren unter anderen Herbert Fritsch, Sandra Hüller und Christoph Schlingensief.
„Den belgischen Mädchenmörder und Sadisten Marc Dutroux zum Gegenstand eines Theaterstücks zu machen und dafür überwiegend Kinder auf die Bühne zu stellen, ist in der Tat eine Kühnheit. Herz und Verstand erwarten in so einem Fall schweres dokumentarisches Geschütz. Aber der Schweizer Milo Rau verarbeitet den Stoff mit einer Leichtigkeit, die jedes Publikum in ihren Bann zieht. Rau macht das Ungeheuerliche zwar nicht erträglich, aber er macht es erzählbar, und er stellt dabei grundsätzliche Fragen nach der Gewaltstruktur zwischen Minderjährigen und Erwachsenen. So feiern Raus ‚Five Easy Pieces‘, was die Dutrouxs dieser Welt vernichten wollen: kindliche Weisheit, kindlichen Willen, kindlichen Trotz“, so die Jury, bestehend aus Stephan Reuter, Kulturredakteur und Mitglied der Theatertreffen-Jury, Daniel Richter, Ko-Leiter des Theatertreffens 2017, und Wolfgang Horn, Redakteur bei 3sat.
Milo Rau wurde 1977 in Bern geboren und studierte Soziologie, Romanistik und Germanistik in Paris, Berlin und Zürich. Seit 2002 kreierte er mehr als 50 Theaterstücke, Filme, Bücher und Aktionen, die auf allen großen internationalen Festivals zu sehen waren, wie dem Festival d’Avignon, der Biennale Teatro di Venezia, den Wiener Festwochen und dem Kunstenfestivaldesarts in Brüssel. Mit seinen Arbeiten tourte er durch mehr als 30 Länder. Bereits 2012 war er mit seinem Stück „Hate Radio“ über den Bürgerkrieg in Ruanda zum Theatertreffen eingeladen und sorgte mit seiner schonungslosen Form des dokumentarischen Theaters für Aufsehen, die bis heute alle seine Arbeiten prägt. Milo Rau wurde schon mit zahlreichen Preisen bedacht, unter anderem erhielt er 2014 den Hörspielpreis der Kriegsblinden und 2016 den renommierten Preis des Internationalen Theaterinstituts.
Die öffentliche Verleihung des 3sat-Preises findet am 13. Mai 2017, im Anschluss an die Aufführung von „Five Easy Pieces“ in den Berliner Sophiensaelen, beim 54. Theatertreffen statt.
In seinem Programm präsentiert 3sat drei „Starke Stücke“ der zehn zum Theatertreffen eingeladenen bemerkenswerten Inszenierungen: „Drei Schwestern“vom Theater Basel (Samstag, 6. Mai 2016, 20.15 Uhr), „Traurige Zauberer“ vom Staatstheater Mainz (Samstag, 13. Mai 2016, 20.15 Uhr) und „89/90“ vom Schauspiel Leipzig (Samstag, 20. Mai 2016, 20.15 Uhr). Im Herbst 2017 zeigt 3sat mit „Die Räuber“ vom Residenztheater München ein viertes Stück aus dem Tableau des diesjährigen Theatertreffens.