Es gibt sie wirklich, die „Rote Forelle“. Bei Brehms Tierleben sucht man sie vergeblich, im Landhaus Zu den Rothen Forellen in Ilsenburg wird sie prächtig, auf den Punkt gegart serviert. Allerdings als Lachsforelle. Vor Jahrzehnten aber tummelte sich die Forelle in Rot noch in den Harzer Gewässern. Die Farbe hing mit den Wasserbestandteilen zusammen, die im Nordharz vorkommen. Bestandteile, die mit der Gusseisenproduktion zusammenhingen. Erze wurden produziert, da gab es Metallspuren drin und die verfärbten die Haut der Forelle rot. Rote Forellen als Kuriosum und als Geschichtsträger. Sie waren die Wappentiere der Fürsten zu Stollberg- Wernigerode, einst Besitzer des Hotels. So kam die Nobelherberg zu ihrem Namen. Und noch heute prangt es als Wappentier unter dem Namenszug. Gastlichkeit und Kulinarik haben hier einen besonderen Stellenwert. Hotel von ländlicher Feinheit und Gastronomie, von raffinierter Regionalität und eleganter Weltoffenheit. 2 Restaurants sind die Garanten: das Wintergarten Restaurant mit dem regionalen Schwerpunkt und das Gourmetrestaurant „Forellenstube“. Herr der Küchenbrigade ist der 31jährige Oberbayer Axel Kammerl. Vom Gault Millau gerade wieder mit 15 Punkten und zwei Hauben ausgezeichnet und vom Michelin mit einem Stern. Übrigens der einzige, der über Sachsen-Anhalt strahlt. Kammerl und Essen und Trinken, von Kind an eine besondere Verbindung. Hoher Stellenwert in der Familie. „Wir feierten oft Feste, luden zu Essen ein, da war es selbstverständlich, dass wir als Kinder mithalfen. Urlaube wurden grundsätzlich nur da gemacht, wo man gut Essen konnte. Die vielen Gasthöfe in meiner bayerischen Heimat trugen dazu bei, dass ich mich schon sehr früh dazu entschieden hatte, diesen Beruf bestmöglich zu erlernen, “ erzählt Kammerl. Erst aber musste das Abi gemacht werden, dann erlaubten seine Eltern eine Lehre- erste Station das Hilton München Park Hotel. Seine Lehr- und Wanderjahre: St. Moritz im „Kempi“, „Bischoff am See“ in Tegernsee, dann Sous-Chef im „Alpenhof“ in Murnau. Seit November 2008 in Ilsenburg. Ilsenburg, viele packen es nach Niedersachsen, ist eine unbekannte Schöne aus Ruhe, zauberhaftem Fachwerk, Burgen, Tälern, Flüsschen, Wiesen, Wäldern und Bergen. Typisch Harz. Verkannt, eine spröde Lieblichkeit. Labyrinthe aus Wegweisern und ausgelatschten Wanderwegen, überraschenden Durch- und Ausblicken, klarem Wasser und reiner Luft. Goethe war hier und Heine war auch hier. Aus allem entsteht eine Melange, die inspiriert und beste Voraussetzungen auch für eine hochinteressante Küche bietet, wenn sie sich auf das Abenteuer Region und Saison einlässt. Axel Kammerl hat sich dieser Herausforderung gestellt und er besteht sie meisterhaft, auch wenn der Gault Millau mal wieder sein berühmtes Haar in der Suppe findet – aber so sind sie die Tester; wenn sie einmal etwas angeblich gefunden haben, finden sie es immer wieder. Hier hat er viel Schaum, nicht vorm Mund sondern vor den Augen: auch dies Jahr wieder: „unverkennbar Kammerls vermutlich unstillbare Sehnsucht nach Schäumchen, Gelees und Saucen“. „Gibt es wirklich Menschen, die stark nach Nichts schmeckende weiße Schäumchen so nötig haben wie die Luft zum Atmen?“ Da ist sie wieder die Suche nach der schäumenden Negativbeschreibung. Die Realität der Küche spricht eine andere Sprache – und wie wohltuend ist da doch der Michelin, der urteilt ohne Phrasen. Kammerl sucht und findet seine frischen und saisonalen Produkte, setzt sie gradlinig um, überall mit kulinarischen Anleihen und Tupfern zu seiner bayerischen Heimat, zu Österreich, Frankreich und Italien. Elegant, leicht und spielerisch, so kommen seine Gerichte zum Gast. Etwa beim Landhaus Menü mit zweierlei von der Hauswachtel, Sülze und Minikarotten auf Püree. Ein kross gebratener Zander ist topfrisch und wunderbar auf den Punkt gebraten, die Beilage eine Geschmacksexplosion: Kalbskopfgraupen und Blutwurst in der Sepiahülle. Region, Saison, bodenständig und international. Perfekt das Harzer Hirschkalb mit Petersilientarte, Pilzen und Preiselbeeren . Das Dessert: österreich-bayerische Spielerei aus Topfenknödel, Zwetschgenröster und Vanilleeis. Wo waren sie denn bloß, die Gault Millau Schäumchen? Vielleicht haben wir ja in der Gourmetabteilung, der Forellenstube mehr Glück. Übrigens ist das Spitzenrestaurant aus dem hinteren Hotel nach vorne gerutscht und bietet im Sommer eine Traumterasse und einen wunderbaren Blick auf den kleinen Ilsenburger Forellensee mit Schwänen und Enten. Klein ist es, Platz für 20 Gäste, schöne Stoffe, edles Mobiliar, modern, elegant. Also wie die Küche: begeben wir uns wieder auf die Suche nach dem verlorenen Gault Millau Schaum. Roh marinierte Entenmastleber mit Solies Feigen und schwarzen Nüssen, die Krönung: ein Entenlebereis- alles perfekt und geschmacklich aufeinander abgestimmt. Dann eine optische Explosion, die sich im Gaumen fortsetzt, mit einer Spinatcreme mit Eigelb und Albatrüffel. Und dann endlich doch der Schaum. Von Krebsbutter. Aber nicht dünn, dürftig und überflüssig, sondern kongenialer Begleiter zu Flusskrebsen aus der Lüneburger Heide, Flusskrebsravioli, Zuckererbsen und Erbsensprossen. Kammerls Stil ist unverkennbar, das Produkt wird nicht verfremdet, sondern spielerisch verfeinert; Gewürze überlagern nichts sondern suchen höchsten noch nach dem letzten leichten Geschmackskick. Große Küche ohne das berühmte Lockendrehen auf der Glatze. Tag für Tag findet auf kulinarischer Ebene eine wunderbare Inszenierung statt: „Die Aufhebung der Anspruchslosigkeit“. Axel Kammerls Erfolgsgeheimnis ist die Summe aus höchster Raffinesse und Einfachheit. Ein bemerkenswerter Koch mit viel Seele und gesunder, kreativer Tradition. Der Michelin Stern weist den Weg: Das Landhaus Zu den Rothen Forellen ist einen Umweg wert.
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