Zweiter Besuch auf Burg Wernberg und dem Restaurant ‚Kastell‘ mit Thomas Kellermann. Der erste Stern eröffnete schon eine ungeahnte Welt der Leichtigkeit und Raffinesse. Der zweite Stern hat Thomas Kellermann in seiner radikalen Anspruchshaltung, was Produkte, Saison und Kochkunst angeht nur bestätigt und weist weiter nach oben im Sternenhimmel.
Wer die imposante Brücke über den Burggraben entlang schreitet, betritt eine andere Welt. Ein Refugium der Ruhe und Entspannung, ein Ort edler Genüsse und unvergesslicher Momente öffnet sich hinter den ehrwürdigen Mauern der Anlage aus dem 12. Jahrhundert. Stilvoll restauriert und ausgestattet mit modernem Luxus begegnen sich im Hotel Burg Wernberg Vergangenheit und Zukunft.
Das Spitzenrestaurant ‚Kastell‘ hat sich wunderbar verfeinert
helle, wie gekalkte, Wände, cremefarbene Böden aus Juramarmor, alles ist hell und licht, nichts wirkt eng, nichts Bedrängendes. Edel ist es, zurückhaltender Atem, ein Augenfang für die Sinne. Das Ambiente ist stimmig und harmoniert perfekt mit der Küche: transparent, Seelenstreichler, gelungene aromatische Verbindungen verschiedener Elemente, feine Säure, feine Süße, Brückenschläge Kellermannscher Kochkunst.
Die Grüße aus der Küche besonnene, wohlüberlegte, witzige Punktgewinne.
Ein Doradentatar mit Limettengranité und Eiran, einem türkischen Joghurt.
Ein Feuerwerk der Aromen, der Frische, der Leichtigkeit des ‚EssSeins‘.
Großes Staunen bei einem Dattelbrot-Eis mit Karottenschaum und einem Früchtetee-Gelee
Pikant fruchtig, jedes Element für sich wunderbar, aber die eigentliche Geschmacksexplosion findet statt beim Zusammenführen aller Elemente.
Schließlich die Obatzter Interpretation von Thomas Kellermann, eine Hommage an seine Heimat.
Ein Schaum vom Comté Käse, Krusteln und Crème. Zwiebel und Paprika. Tolle Ergänzung durch die Brotauswahl, Tresterbrot, Laugenbrötchen, Olivenfocaccia und Butterbrötchen.
Dann beginnt das kulinarische große Theater, spektakulär, ungewöhnlich Gewohntes, gewohntes Ungewöhnliches.
Ein Saibling aus Bärnau, mit Blumenkohl, Soja und Orange
Soja als Gelee, eine gelungene Überraschung, der Sojageschmack teilt sich herrlich ungewohnt anders mit. Ein Salat aus Blumenkohlgrün!!! – noch nie erlebt und gegessen, leicht und frisch durch eine Orangencreme. Der Saibling gebeizt mit leicht rauchiger Note, der Blumenkohl geröstet durch Pinienkerne sehr kräftig als Solist – aber in der Kombination mit dem Salat vom Blumenkohlgrün und der Orangencreme ein Blumenkohlhimmel. Gemüse zum Vegetarier werden.
Gelbschwanzmakrele mit Piperadencreme, Mangold und Beurre Blanc
Welch ein Hochgenuss an Fisch, helles, festes Fleisch, leicht mineralischer Geschmack, ein frischer, sanft salziger Duft, schmelziger Geschmack. Der Mangold wieder ungewöhnlich anders, als Miniröllchen, gefüllt mit dem Stängelweiß, gekrönt mit winzig kleinen Stückchen einer selbst eingelegten Salzzitrone. Herrliche Geschmackskracher. Die Buttersauce samtene Zartheit und optisch und geschmacklich wunderbar die Piperadencreme, angelehnt an das traditionelle baskische Gericht aus Zwiebel, Knoblauch, Tomate und Paprika.
Seeteufel mit Barbecuearomen, Mais, Mango und Bröselbohnen
Optisch schon wieder Streicheleinheiten für Ästhetik. Ein saftiger Fisch, eine gelungene zurückhaltende Sauce, eine betörende Mangomousse. Nur obendrauf: die gerösteten Champignons mit Knoblauch, ein Generalangriff auf die Geschmacksnerven, mir ein bisschen zu heftig
Tafelspitzscheiben vom Rind mit Cipolline, Artischocken und Mole
Ein sensationelles Fleisch, der 7. Fleischhimmel, eine perfekte Sauce, die Mole tummelt sich auf einer Gänseleberbutter und ein 4 Sterne Kartoffelpüree. Bewundernswert der Mut eines 2 Sternekochs, auch noch Kartoffelstückchen spüren zu lassen.
Warmer Schokoladenschaum mit Rotweineis und Petersilienwurzel
Verrückt – aber auch hier wieder der Mut zum Ungewöhnlichen. Welch ein Kontrapunkt zum Rotweineis, das Granite von der Petersilienwurzel: Süße, Erde, Kühle – ein Dreiklang vom Allerfeinsten. Dass der Schokoladenkuchen nur so im Mund zerfließt, ist schon fast eine Selbstverständlichkeit. Der Sommelier des Hauses, Frank Hildebrand, versteht es immer wieder, die kulinarische Klasse von Thomas Kellermann mit einfühlsamen Empfehlungen zu vervollkommnen. Diesmal waren es zum Beispiel eine 2009er Scheurebe Vinz, Alte Reben, Stettener Stein vom Weingut am Stein, Franken. Eine 2009er Riesling Spätlese-Der Wurzelechte- vom Weingut Eifel-Pfeiffer, Mosel und ein 2009er Bourgogne Pinot Noir von Thomas Morey.
Der zweite Stern hat Thomas Kellermann noch mehr beflügelt, noch selbstbewusster, noch kreativer gemacht, bei aller sympathischen Bescheidenheit. Fast ein Konzertbesuch: Harmonie wie beim wohltemperierten Klavier von Bach; Leichtigkeit und Zartheit wie bei einer Mozartsymphonie; Wucht und Dichte einer Brucknersymphonie.