Welch ein Blick, welch ein Bild. Da windet sich der Main von Ost nach West, nach Süd und Nord. Wunderschöne Schleifen und immer wieder die Weinberge, die Reben, die Ein- und Ausblicke frei geben. Hinter uns der alte Wallfahrtsweg zum Volkacher Kirchberg. Die Krönung: St. Maria im Weingarten, eine kleine Kapelle, ein Muss für alle Kunstfreunde. Hier hängt, jetzt elektronisch abgesichert die berühmte Riemenschneider-Figur „Madonna im Rosenkranz“. 1962 wurde sie gestohlen. Der „Stern“ und Henri Nannen halfen, zahlten die 100000 DM Lösegeld und auch noch die Restauration der schwer beschädigten Figur. Heute spiegelt sich in ihr eine Sanftheit und Schönheit, die sich draußen in der Natur wiederfindet. Der Kirchberg hat seine Anziehungskraft nicht verloren, aber seine Unschuld. Schuld daran sind mal wieder Bürokraten. Durch die Weinbaureform heute Großlage und damit Massenproduzent. Die Einzellagen sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Glück, wer sich trotzdem behauptet hat wie Max Müller aus Volkach. Hier ist seine beste Lage, der Volkacher Ratsherr, sein Filetstück, sein Top-Silvaner. Hier kommt er ins Schwärmen bei einem Glas im Weinberg. Hier wird das Image der Franken spürbar, raue Schale, rauer Kern, wie der Wein. Heute ein Klischee, denn Müller ist einer der Vorreiter, der aus robusten Tropfen, prätentiöse, kompliziert strukturierte Weine geschaffen hat, die sich hinter anderen Regionen nicht verstecken müssen. Max Müller nimmt einen Schluck von der 2008er Silvaner Spätlese. Eine wunderbare Frische und Mineralität, die sich als Fränkische Heimat am Gaumen entfaltet. Müller gerät ins Schwärmen: „ Wir haben wieder zu eigenen Handschriften gefunden, zurück zu den Wurzeln, wiedererkennbare elegante Weine, lagengeprägt, wie der Sommeracher Katzenkopf als Riesling oder Weissburgunder, der Volkacher Karthäuser als Silvaner Kabinett trocken oder der Escherndorfer Lump, eine traumhafte Riesling Auslese.“ Sein Favorit ist im Augenblick ein Silvaner „Eigenart“, eine Kombination von ihm und seinem Sohn. Das Geheimnis liegt draußen in der Arbeit im Weinberg, ein gesundes Lesegut, ein selektives Lesegut und nur die besten Silvanertrauben. Junior Christian, der bei Wittmann und Wagner-Stempel in Rheinhessen in die Lehre ging, hat neue Ideen in den Betrieb gebracht: die großen Weine werden teilweise wieder im klassischen Holz ausgebaut , also wieder zurück zu den Wurzeln. Das große Holzfass ist einfach positiver für die Reifung der Weine. Allerdings darf nichts übertönt werden, nur so erreicht er sehr viel Finesse und Geschmeidigkeit. Kein Barrique, sondern alte und neue Holzfässer mit 600 – 900 Liter. Das Terroir wird schmeckbar, eine herrliche Cremigkeit und Komplexität und auch eine lange Lebensdauer. Max Müller ist stolz auf die Handschrift der neuen Generation.
Folgen wir dem Main in seiner natürlichen Unberechenbarkeit, erst nach West, dann nach Süd, dann wieder West und wieder Süd. Nach 20km erreichen wir Sulzfeld: eine vollkommen erhaltene Ringmauer, 21 Türme und Tore. Eine ganze Reihe eindrucksvoller Gebäude stimmen freundlich ein. Besonders prachtvoll der „Zehnthof“, Zeugnis für die Wertschätzung der Würzburger Bischöfe für den Sulzfelder Wein. Hier lagerten sie ein, was ihnen zustand – den zehnten Teil der Ernte eines jeden Winzers. Heute ist der Zehnthof im Besitz der Familie Luckert, noch immer ein Geheimtipp. Wolfgang Luckert ist im Weinberg, sein Bruder Ulrich im Keller. Was hier auf Flaschen gefüllt wird ist absolute Spitze, der Sulzfelder Cyriakusberg, Silvaner Kabinett, ist eigentlich das Idealbild eines Silvaners, saftig und trotzdem delikat. Die Besonderheit bei den Luckerts: Sie haben durch den verstärkten biologischen Anbau das Ohr noch mehr an den Weinstöcken, achten darauf, was draußen passiert, wissen exakt welche Weinberge für welche Rebsorten wie zu händeln sind. Die Handschrift ist ganz persönlich, zurück zur Natur, Vergärung mit Spontanhefen, immer im Holzfass. So entstehen Weine, die nicht an jeder Ecke zu haben sind. Gerade haben sie große Mengen der Edelstahltanks verkauft, weil für sie ihre Weine im Holzfass bessere Erfolge erzielen. Eine ganz besondere Rarität und Spezialität ist der blaue Silvaner, eine Variation innerhalb der Familie der Silvanerreben. So ähnlich wie beim Burgunder, nur ist es da ungleich geläufiger, dass es verschieden gefärbte Traubenvariationen gibt. Beim Silvaner ist das weitgehend unbekannt, meistens werden nur die gelben Sorten angebaut- aber der blaue Silvaner ist eine recht ursprüngliche Variation, die im fränkischen Anbaugebiet eine relativ starke Renaissance erlebt. Wolfgang Luckerts Lieblingskind ist im Augenblick Silvaner „Gelbkalk“, ein Wein, der auf einer ganz signifikanten geologischen Schicht wächst, den sogenannten Gelbkalkbänken. Ein wunderschön mineralischer, ganz feingliedriger Silvaner, der fast schon ein bisschen Rieslinganklänge zeigt, aber doch die Herkunft als Silvaner nicht verleugnet. Wie ihre Weine, so sind auch die Luckerts in Franken eine Ausnahmeerscheinung.
Schlussetappe der Mainschleifen Weintour ist das Herzstück, die Weininsel, ist Sommerach. Hier sind die Irrungen und Wirrungen besonders sichtbar: der Main fließt von Norden nach Westen, dann nach Süden und wieder nach Osten zurück und nach Süden weiter. Für die Schifffahrt war das lang und mühsam, 12,5 km bei Sommerach. Also wurde ein Kanal gebaut, nur noch 2,5 Schifffahrtskilometer. Aber Sommerach liegt nun auf einer Insel, umgeben vom Altmain und dem Kanal. Zirka 600 ha Wein werden hier angebaut. Wer wissen will, warum ein Winzer glücklich ist, der muss mit Otmar Zang sprechen. „Ich bin Winzer aus Berufung“, erzählt er, „schon als Kind, weil ich ja nichts anderes gelernt habe, nichts anderes gesehen habe. Mir macht es Spaß, weil ich immer in der Natur lebe, einen gesunden Beruf habe, einen grünen Beruf.“ Hochhäuser um sich herum oder ein Büro, das ist nicht seine Welt. Körperlich ist das zwar ein anstrengender Beruf, aber dafür bekommt er so viel vom Rebstock geschenkt, eine solche Traube, „dass man viel Glück erfährt“. Ein ganz besondere Knüller ist eine absolute Rarität: der „Alte Satz“. Irgendwann sucht er eine Aushilfskraft, ein junger Mann meldet sich und erzählt, dass er noch einen ganz alten Weinberg hat auf dem der alte fränkische Satz wächst. Der Berg wir modernisiert, die Zeilenbreite verdoppelt, Licht, Luft und Sonne tun ihr Werk, ein Wein wächst, der ungewöhnlich und außergewöhnlich ist. 35 Rebsorten sind das Geheimnis, Reben, die 1835 gepflanzt wurden. 15 Sorten können nur noch definiert werden, zum Beispiel: roter Gutedel, Roter Silvaner, Elbling, gelber und weißer Muskateller, ein weißer Traminer, den es sonst überhaupt nicht mehr gibt und die schöne Unbekannte, der Räuschling. Der Rest ist Genuss pur, ein voluminöser, dabei mineralischer Wein mit schöner Säure und feinen Noten nach weißen Früchten und Kräutern. Diese Ausnahmeerscheinung beweist Zangs Philosophie. Ein Satz von Gerd R. Lang ( Uhrmachermeister und Gründer der Chronoswiss) ist Wegweiser und lässt sich perfekt auf Zangs Arbeit übertragen: „Was ich mache, soll das Beste sein, was überhaupt möglich ist. Eine Kombination aus handwerklicher Präzision, ästhetischer Klarheit und einer schon leidenschaftlichen Liebe zum kleinen Detail. Ein bisschen Herzblut ist allerdings auch dabei.“
Was jetzt noch fehlt ist die Suche nach dem fränkischen Roten. Hier in Sommerach ein großes rotes Weinwunder durch Richard Östreicher. Ein junger Wilder, der sich auch schon mal mit Hierarchen und Hierarchien anlegt, der ungewöhnliche Wege geht. Im Innenhof des Weinguts von 1729 löst ein spritziger junger Weißer, „Sommergewitter“, seine Zunge. Das Geheimnis des fantastischen Spätburgunders, seines Merlots oder Cabernet Sauvignon sind natürlich die Trauben, die auf einer sehr guten Südsüdwestlage stehen, die Einzellage „Rosen“, dazu kommt eine sehr starke Mengenreduzierung und die Anlagen sind älter als 10 Jahre, da ist das Wurzelwerk schon mal 5-6 Meter tief , kommt damit schon langsam ins Grundwasser. Weitere Teilchen im Erfolgspuzzle: längere Standzeiten, selektive Lese, also kein Werfen von Trauben in Bottiche, sondern wie im Burgund in Kisten. Die Trauben werden nicht verletzt, kommen vollkommen gesund vom Weinberg in das Weingut und werden innerhalb weniger Stunden sofort verarbeitet. Das Kellergeheimnis liegt in der 250jährigen Geschichte, deshalb braucht er eigentlich keine Hefe, denn in solch alten Kellern sind Stammhefen über Jahrhunderte entstanden, liefern einen eigenen Stamm, der sich in der alkoholischen Gärung durchsetzt und dann auch beim Roten in der malolaktischen Gärung. Das Ganze ist natürlich sehr kostenintensiv: die besonderen Kisten, mehr Leute, die Kisten austeilen und dann auch wieder per Hand einsammeln, die besonderen Fässer, die aus Saint Romain kommen, von einem der besten seiner Zunft, Francois Freres, der auch Romanee Conti beliefert. 800-1000 Euro pro Fass müssen erst mal erwirtschaftet werden. Deshalb ist auch hier der wirklich gute Rote nicht unter 20Euro zu haben. Langsam aber stellt sich der Erfolg ein. Während in den letzten Jahren noch so mancher Spitzensommelier sich ins Fäustchen lachte, wenn da ein Winzer aus Sommerach kam und einen Roten vorstellen wollte, kommen sie heute schon auf sein Weingut. Die Spitzengastronomie von Schuhbeck über Winkler, Kellermann und Wissler hat ihn entdeckt. Dann der Gang in den Keller, der unverwechselbare Duft und eine erste Probe vom 2009er. Jetzt schon eine Duftfülle in der Nase und ein aufregendes Aromenspiel. Hier reift ein großer Jahrgang. Östreicher macht es richtig, geht neue Wege und verbindet die Tradition mit der Moderne dort, wo es Sinn macht. Spiegelbild dafür: sein Firmen-Logo , die stilisierten Mainschleife.
jürgen schiller
Fotos: Max Müller,Wolfgang Luckert,Otmar Zang,Richard Östreicher