Sa Canova ist einer der letzten Naturstrände Mallorcas. Nun soll auch er touristisch entwickelt werden. Dagegen hat sich Protest formiert.
Auch das ist Mallorca: der Naturstrand Sa Canova im Nordosten der Insel. (Bild: PD)
Das Meer hat Seebälle aus Neptungras an den Strand gespült. Hier und da bilden die Blätter des Seegrases Skulpturen. Steine und Felsbrocken liegen herum. Dünengräser stehen schief im Wind. Einige Einheimische, Feriengäste und Tagesausflügler haben sich über den riesigen Strand verteilt. Sonnenschirme und Liegen hingegen sind nicht zu sehen. Tretboote auch nicht. Es gibt keine Hotels und keine fliegenden Händler. Und auch keine Chiringuitos – die für spanische Strände so typischen Strandbars.
Umstrittener Chiringuito
Der Sa Canova ist einer der letzten Naturstrände Mallorcas. Er liegt in der Bucht von Alcúdia im wilden Nordosten der Baleareninsel und erstreckt sich von Son Serra de Marina rund zwei Kilometer weit bis Colònia de Sant Pere. Son Serra ist eine schachbrettartig angelegte Feriensiedlung, die in den 1960er Jahren entstand und in der etwa 300 Menschen ganzjährig leben. Im Sommer kann die Zahl der Gäste auf 3000 ansteigen. Obwohl Son Serra nur sechs Kilometer von der Touristenhochburg Ca’n Picafort entfernt ist, sind es Welten, welche die beiden Orte trennen.
In den Restaurants El Sol und Lago am östlichen Ende von Son Serra herrscht Hochbetrieb. Es ist der einzige Fleck in Son Serra, wo meistens etwas los ist, egal, in welcher Jahreszeit. Nur eine schmale Strasse trennt das «El Sol» vom Strand. Hier beginnt der Strandabschnitt von Sa Canova. Während der Badesaison sitzt der Rettungsschwimmer auf seinem hölzernen Aussichtstürmchen, dessen zerfleddertes Strohdach nur wenig Schutz vor der Sonne bietet. Hier steht auch die gelbe Bretterbude mit einer kleinen Werkstatt, die Surfern unter dem Motto «Destroy your board, care for your beach» Reparaturarbeiten anbietet. Genau hier soll nun ein Chiringuito aufmachen, der höchst umstritten ist.
«Dieser Strand hat etwas Magisches. Der Sa Canova sollte so bleiben, wie er ist. Er ist eines der letzten Paradiese von Mallorca», sagt Yona Sophia, eine Deutsche, die die letzten 15 Jahre an vielen Orten in Europa und Nordafrika gelebt hat und nun wieder sesshaft werden möchte. Son Serra ist in der engeren Auswahl. Sie war schon einige Male hier und wird nun ein paar Monate bleiben. Oder länger. «Der Gemeinderat möchte Son Serra touristisch entwickeln. Der geplante Chiringuito und der Verleih von Liegen und Sonnenschirmen sind nur der Anfang. Wenn es dann so weitergeht, wird hier eines Tages alles mit Bettenburgen zugebaut sein wie in Ca’n Picafort. Wehret den Anfängen», sagt Yona Sophia warnend.
Der Protest richtet sich gegen die Vorboten des Massentourismus.
Am 10. Januar des vergangenen Jahres war der Strand in Son Serra vielleicht so voll wie niemals zuvor. Die Bürgerinitiative SOS Son Serra hatte zur Demonstration aufgerufen, und es kamen 5000 Leute, die am Strand eine kilometerlange Menschenkette bildeten. Unter ihnen waren Einheimische, Ferienwohnungsbesitzer, Feriengäste, Umweltaktivisten und Naturliebhaber. Der Protest von SOS Son Serra richtet sich gegen Chiringuitos, Liegen, Sonnenschirme, Tretboote und Hotels – die Vorboten des Massentourismus.
1991 war es bereits einer Protestbewegung gelungen, das touristische Grossprojekt Ravena am Sa Canova zu verhindern: Geplant gewesen war eine riesige Feriensiedlung für 30 000 Menschen mit Golfplatz und Sportboothafen. Stattdessen wurden die Dünen von Sa Canova, die weit ins Hinterland reichen, unter Naturschutz gestellt. Allerdings sind seit der Einführung des Tourismusgesetzes im Jahr 2012, hinter dem die damalige konservative Balearen-Regierung steht, auch Naturschutzgebiete vor Investoren nicht mehr sicher.
Die Terrasse des «El Sol» ist wieder einmal voll besetzt. Das Restaurant ist auch ein Treffpunkt für Surfer: Wellenreiter, Kitesurfer und Stehpaddler geniessen hier ihre Siesta unter Strohsonnenschirmen. Neben Es Trenc ist Son Serra einer der beiden Surfer-Hotspots der Insel. «Hier gibt es grössere Wellen», sagt Zaloa Vellé, die im Restaurant Lago nebenan als Kellnerin arbeitet und mit der Protestbewegung sympathisiert. «Der Konflikt zwischen dem Gemeinderat und SOS Son Serra hat sehr hohe Wellen geschlagen. Bisher konnten der Chiringuito und der Verleih von Liegen und Sonnenschirmen verhindert werden. Im Moment herrscht Ruhe. Aber die Lage kann sich auch schnell wieder ändern.
An mallorquinischen Stränden kann man bekanntlich sehr viel Geld einnehmen.
Die derzeitigen politischen Machtverhältnisse auf Mallorca sind günstig für SOS Son Serra. Die links-grüne Balearen-Regierung, die seit 2015 auf der Insel das Sagen hat, konnte sich gegen den konservativen Gemeinderat durchsetzen: Die zuständige Küstenschutzbehörde hat den Antrag der Gemeinde Santa Margalida, einen Chiringuito am Strand von Son Serra zu eröffnen, 2016 abgelehnt. Der Gemeinderat hat allerdings Ende Dezember angekündigt, er werde eventuell klagen. An mallorquinischen Stränden kann man bekanntlich sehr viel Geld einnehmen. Das wissen auch die Gemeinden. 2016 hat eine einjährige Konzession für einen Chiringuito am Naturstrand Es Trenc im Südosten der Insel gegen 200 000 Euro eingebracht.
Naturpark vorgesehen
Der Naturstrand Es Trenc ist wesentlich bekannter als der Sa Canova in Son Serra. Im Sommer ist es am Es Trenc allerdings nicht mehr so idyllisch wie früher. Im Laufe der Zeit kamen einfach immer mehr Menschen. Und mit ihnen die grossen Parkplätze, die Chiringuitos, Liegen und Sonnenschirme. Auch hier gab es immer wieder Proteste gegen die Kommerzialisierung des Naturstrands. Mit Erfolg: Die links-grüne Balearen-Regierung will den Es Trenc und sein Hinterland noch im Jahr 2017 zu einem Naturpark machen, um den Umweltschutz dort ausbauen zu können. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde Mitte Januar ins Parlament eingebracht. Im zukünftigen Naturpark Es Trenc-Salobrar soll dann auch das Neptungras, das für das Ökosystem sehr wichtig ist, am Strand liegen bleiben und nicht mehr vor Beginn der Badesaison entfernt werden.
Der Wind hat wieder zugenommen am Sa Canova in Son Serra. Die Dünengräser stehen noch schiefer im Wind als sonst. Das Meer hat einige besonders grosse Seebälle an Land gespült. Ganz langsam entstehen neue Skulpturen aus Neptungras. Jetzt beenden auch die Wellenreiter ihre Siesta und machen sich auf den Weg ins Wasser. Die Wellen schlagen hoch am Strand von Son Serra.
Quelle: Oliver Schindler NZZ