„Wer sich-wie hier vorgeschlagen-dogmatisch für den Antidogmatismus einsetzt, der baut auf die Gewissheit: Erziehung ist ungewiss. Wir müssen uns der Unsicherheit stellen, aus ihr eine Kraft machen. Deshalb sind Elternjahre Zeiten des Balancierens. Wir werden niemals jenen Schwebezustand erreichen, in dem alle Interessen im Gleichgewicht sind.“
Über 30 Jahren hat Reinhard K. Sprenger, vierfacher Vater, „Gedankensplitter, kleine Beobachtung und Reflexionen zu Erziehungsfragen“ gesammelt. Während der Pandemie entstand daraus sein neues Buch „Elternjahre“.

Erziehung hat unterschiedliche Nuancen

Helikoptereltern, richtige Erziehung, alles gut machen – für das Kindeswohl. Wo bleiben die Bedürfnisse, Wünsche und Selbstfürsorge der Eltern? Das wird zur Hauptfrage in Sprengers Buch. Denn Elternwohl ist Voraussetzung für das Kindeswohl, sagt der Autor und untersetzt seine These in fünf Hauptkapiteln (s.u.) mit vielen Beispielen und Studienergebnissen. Im Kapitel zwei erläutert Sprenger z.B. den Einfluss von Genen, dem sozialen Umfeld und vor allem von Freunden auf die Entwicklung des Kindes. Diese Einflüsse wirken z.T. intensiver als die Erziehung der Eltern.
„Schiffe sind sicher, wenn sie im Hafen sind, aber dafür wurden sie nicht gebaut“. Mit anderen Worten, die Eltern müssen loslassen, damit sich Kinder mit und durch Andere entwickeln können und der Focus der Eltern nicht zu starr auf die Erziehung der Kinder gerichtet ist. Mit dem Größerwerden der Kinder sollte die elterliche Zweisamkeit wieder in den Mittelpunkt gesetzt werden. Leichtigkeit des Seins gilt dabei für beide Parteien, für die Kinder ebenso für die Eltern. Das schließt nicht aus, Regeln bei der Erziehung zu setzte. Aber der Umgang mit ihnen ist mit das Entscheidende, so Sprenger

Elternwohl vor Kindeswohl

Alles beruht auf dem Ursache-Wirkung-Prinzip. Ohne die Liebe der Eltern keine Kinder. Ohne eine Grund-Zufriedenheit der Eltern, keine entspannte Situation für die Kinder. „Die Forschungslage ist eindeutig: Eltern, die sich auch in ihrer Paarrolle lebendig halten, trennen sich seltener. Sie können dennoch eine starke Bindung zu ihren Kindern haben-ja gerade deshalb. Dauernähe aber leiert aus wie ein altes Gummiband. Das Lösungswort heißt Entwicklung.“ Und auch dafür zeigt Sprenger aus Beobachtungen und Erfahrungen Möglichkeiten auf. Wie Freunde die Entwicklung der Kinder prägen, so sollten auch die Eltern ihre Elternzeit mit Freunden weiterleben. Die Bedeutung des Wörtchen „Ich“ spielt dabei eine wesentliche Rolle, mit einem Ziel: „Ich-Wohl für Mütter und Väter“.

Fazit

Das Buch ist eine Geschenk, auch zu Weihnachten und für jedes Elternteil ein Mehrwert. Manche Passagen lesen sich: ja, weiß ich, andere eröffnen totale News und damit neuen Sichtweisen. Für die „neuen“ Elternjahre bleibt die Reflektion und die Umsetzung des Gelesenen in der elterlichen Partnerschaft.

Aus dem Inhaltsverzeichnis

1 Warum werden wir Eltern
Am Anfang ist der Sex, das Kind als Weg in Beziehungen, die Aufgabe der Eltern, Wer sind die Eltern, Das verflixte siebte Jahr, Was wollen wir für uns Eltern erreichen
2 Wer erzieht unser Kind
Teile des Erziehungsgeflecht, die Eltern, die Straße, die Gene, Der Zufall, dass Glück,
Wirkungen des Beziehungsgeflechts, Wechselwirkungen gesellschaftliche Passung – die Schule, familiäre Wechselwirkungen
3 Wie erziehen wir souverän und gelassen
Erziehung „als ob“, Müssen Eltern Vorbild sein, Der Schatten der eigenen Eltern, Erziehungsstil, Erziehung ist asymmetrisch, Geben und nehmen, Konflikte aushalten, Zeit ist wichtig-für wen, Grenzen setzen, Strafen, Der eigene Erziehungsweg
4 Wohin erziehen wir unsere Kinder
Was ist Erziehung, Das Konzept „Kindheit“, Erziehungsziele, Erziehungszielselbstverantwortung
5 Wie erhalten wir das Elternwohl
Die Veränderlichkeit des Liebens im Lauf der Zeiten, Trennung, Selbstachtung erhalten, Elternwohl vor Kindeswohl, Happy Parentaholics, Ein paar Regeln für die Eltern-Jahre

Der Autor

Reinhard K. Sprenger, geboren 1953 in Essen, hat in Bochum Geschichte, Philosophie, Psychologie, Betriebswirtschaft und Sport studiert. Als Deutschlands profiliertester Managementberater und einer der wichtigsten Vordenker der Wirtschaft berät Reinhard K. Sprenger alle wichtigen Dax-100-Unternehmen. Seine Bücher wurden allesamt zu Bestsellern, sind in viele Sprachen übersetzt und haben die Wirklichkeit in den Unternehmen in 30 Jahren von Grund auf verändert. Als vierfacher Vater weiß er, was Eltern umtreibt und kennt die Herausforderungen des Familienalltags. Zuletzt sind von ihm bei DVA erschienen ‚Das anständige Unternehmen‘ (2015), ‚Radikal digital‘ (2018) und ‚Magie des Konflikts‘ (2020).

Elternjahre
Reinhard K. Sprenger
Wie wir mit Kindern leben, ohne uns selbst zu verlieren
DVA Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, 320 Seiten
ISBN: 978-3-421-07000-5

Artikelfoto: Elternspaziergang, Pixabay, Pixabay License