Die besten Inszenierungen des Jahres
Friedrich-Luft-Preis 2016: Neun Inszenierungen sind für den Theaterpreis der Berliner Morgenpost nominiert. Und alle sind noch zu sehen
Von Stefan Kirschner, Katrin Pauly (Berliner Morgenpost)2016 war ein gutes Theaterjahr. Neun Inszenierungen sind für den Friedrich-Luft-Preis nominiert. Hier die Anwärter auf den Theaterpreis der Berliner Morgenpost im Überblick vor. Alle Arbeiten sind noch zu sehen. Den Gewinner will die Jury Anfang Februar 2017 küren.
Marat/Sade
Was ist schon eine Revolution, ohne schmissige Moderation, fragt die Conférencière (Anita Vulesica) und schmeißt sich ran ans Publikum auf dem Steg, der in den Saal führt. Okay, bei Peter Weiss geht der Satz etwas anders, er fragt sarkastisch: Was ist schon eine Revolution ohne allgemeine Kopulation? Stefan Pucher hat das 1964 uraufgeführte Stück, das wegen des bandwurmartigen Titels gern auf „Marat/Sade“ verkürzt wird, am Deutschen Theater inszeniert. Mit sieben Schau- und Puppenspielern in Hochform, mit einem beeindruckenden Chor und Live-Band. Ein Revolutions-Spektakel. Ein Diskurs. Ein großartiger Theaterabend.
Deutsches Theater, 8., 15. und 24. Januar
Der Vater
Die tückische Alzheimerkrankheit als Thema eines Unterhaltungsstücks? Guntbert Warns zeigt mit seiner sensiblen Inszenierung von Florian Zellers Tragikomödie „Der Vater“ am Renaissance-Theater, dass das hervorragend funktionieren kann. André heißt der Mann, dessen Welt sich hier auflöst. Dem Schauspieler Walter Kreye dabei zuzusehen, ist so erschütternd wie diese Krankheit leider ist. Und so komisch wie sie eben auch manchmal sein kann. Der bestechende Clou des Abends: Das Stück ist so raffiniert konstruiert, dass wir die Umwelt wahrnehmen wie André sie wahrnimmt, ganz verschoben und verdreht. Wir kennen nur Andrés Wahrheit und spüren also am eigenen Verstand, was er meint, wenn er sagt „Ich habe das Gefühl, als hätte ich kleine Löcher im Gedächtnis.“
Renaissance-Theater, 13. bis 17. April
Professor Bernhardi
In Thomas Ostermeiers Inszenierung „Professor Bernhardi“ fährt die Schaubühne auf, was sie hat und was es in dieser Intensität so oft nicht zu sehen gibt: Ein Ensemble, an dessen Akkuratesse im Zusammenspiel man sich kaum sattgucken kann. Der an die Schaubühne zurückgekehrte Jörg Hartmann spielt die Titelrolle, 16 weitere Figuren sind auf der Bühne und hier sitzt jeder Satz, hat jeder Charakter Format. Keine Kleinigkeit bei einem reinen Konversationsstück.Ein Krankenhausdirektor wird wegen „Störung der Religionsausübung“ demontiert. Bei Arthur Schnitzler hatte das antisemitische Hintergründe. Ostermeier aber hat das Stück mit nur wenigen zeitgenössischen Stichwörtern ebenso dezent wie effizient in unsere politische Gegenwart gehoben und macht es zu einem Lehrstück über manipulative Kommunikation und Populismus.
Schaubühne, 3. bis 6. Februar
Peer Gynt
Er ist Charmeur und Spinner, Narziss, Verführer, Aufschneider und Lebensverlorener. Dieser Peer Gynt ist so schwer zu fassen, dass Regisseur Alexander Nerlich ihn in seiner Fassung des Dramas von Henrik Ibsen gleich doppelt auf die Bühne des Potsdamer Hans Otto Theaters stellt. Immer wieder begegnen sich der junge und der alte Peer, belauern und bespiegeln sich. „Geboren zum Genuss, lasst uns genießen“, das ist Peers Credo. In Potsdam muss er seinem Leben diesen Genuss mühsam abringen. Ein tollkühnes Stolpern und Schlittern ist das auf den dunklen schrägen Holzbohlen, die bevölkert sind mit allerlei Trollen und Fabelwesen. Und in der Mitte der Bretterschräge klafft ein großes schwarzes Loch. Alexander Nerlich ist hier ein düsteres, atmosphärisch dichtes Sinnsuchermärchen gelungen.
Hans Otto Theater Potsdam, 21. Februar
Der Mensch erscheint im Holozän