„Eine Wüste ist dieser erhabene und geliebte, weltabgeschiedene Erdenfleck Fuerteventura – eine der Inseln, die man einst die Glückseligen nannte…. ein nacktes,skeletthaftes,karges Land aus nichts als Knochen, ein Land, das eine ermüdete Seele zu stählen vermag.“ Der spanische Philosoph und Schriftsteller Miguel de Unamuno* schreibt das 1924 während seiner Verbannung auf Fuerteventura.
Kampf gegen den Militarismus, gegen brutale Autorität des Staates, Prozess wegen Majestätsbeleidigung. Er zumindest geht gestählt von der Insel, lehnt eine Begnadigung ab. Schließlich die Flucht nach Paris.Noch einmal erinnert er sich an Fuerteventura. „Oase in der Wüste der Zivisilation“. In seinen Aphorismen öffnet sich der Geist zu einer Welt der Erkenntnis. „Das Glück ist eine Sache, die man fühlt und erlebt, es läßt sich nicht definieren und durch Vernunft erklären.“ Ein großer Mann, mit großen Gedanken für und über eine kleine Insel. Eine Insel der schönen und wunderbaren Trostlosigkeit, Verführung zum Träumen, Erkenntnis der Einsamkeit, der Stille – im Innern der Insel, nicht in den Tourismuszentren, Haupteinnahmequelle der Insulaner. Neben den unglaublich langen, weissen Dünen und Sandstränden, die Schwärze der Lava mit Strukturen des Erdinneren, der Urgewalt. Lichtexplosionen zwischen dunkel, hell, schwarz, rot, gelb,gold und grün. Eine lebendige wundersame Farbenlehre.
Wundersam ist auch das kulinarische Angebot auf der Insel. Natürlich alles im Focus der Touristen. International und billige Standards neben Meeresfrische und lokalen Leckereien. Wer sein Hotel nicht verlässt, wer sein All Inclusive Clubangebot wahrnimmt, wer seine heimischen Essgewohnheiten implantiert hat, ist arm dran und verpasst Überraschungen und Reinfälle – ein Wechselbad zwischen Pannen und Pleiten- aber auch überraschendem Gaumenkitzel und leckerer Lokalität.
Mein absoluter Favorit ist das Saavedra Clavijo in Morro Jable. Am Ende der Promenade, unterhalb der Kirche, dort wo sich viele Lokale treffen und messen.
Die Küche ist einfach, ist ehrlich, geht liebevoll mit den Produkten um – und die Produkte sind erstklassig, egal ob Gemüse, Fisch oder Fleisch. Dazu ein Patron, Pepe Rodriguez, der charmanten Extraklasse. Hier ist er geboren, neben der Kirche. 1968 fängt er an als Kofferträger in Jandia playa, wo heute der Robinson Club mit seiner Vollpension das Abenteuer einer originalen Küche verhindert. Seine weiteren Stationen: Lanzarote, Zürich, Ibiza. Dann der erste Versuch der Selbstständigkeit am Leuchtturm von Jandia-2012 das Aus. Schwere Zeiten durch Krankheit, dann am 19.Dezember 2013 der Anruf: ‚du suchst was in Morro‘. Und der Glücksfall einer wunderbaren Symbiose aus Menschlichkeit, Verständnis, Kenntnis, der Produkte und der einheimischen Produzenten, der Kontakt zu den besten Fischern. Und so entsteht eine faszinierende Palette: bester frischer Fisch, Fleisch aus Südamerika (Uruguay- Argentinien, butterweich und guter Geschmack), Zicklein, Ziegenkäse und Lamm,Kaninchen von der Insel,schmackhaftes Gemüse vom Festland aber auch von Freunden auf der Insel, wie Kohl, Tomaten und natürlich die kleinen wundervollen Kartoffeln. Dazu ein Service, der im Auge des TouriWirbels Gelassenheit, Freundlichkeit und Gespür für Wünsche der Gäste beweist.
Zwei ausgezeichnete Vorspeisenrenner, neben einem Salat mit heimischem Ziegenkäse: die Padrones und der galizische Pulpo
die Padrones knackig frisch, sanft und perfekt gebraten, der Gemüseschmelz wird so optimal herausgekitzelt und das Roulettespiel: ist eine scharfe dabei oder nicht. Diesmal nur Sanftmut.
Pulpo Gallega
„Pulpo a la Gallega“ (auch Polbo á feira),ein traditionelles Gericht aus Galicien,ursprünglich bei den Stadt- und Dorffesten (Feiras) in Kupfpferkesseln von den „Pulpeiras“ zubereitet. Die Pulpeiras, die Frauen des Dorfes, die am Rand der Feste mit ihren eigens mitgebrachten Kupferkesseln auf Brennholz die frischen Pulpos zubereiteten. Im ‚Saavedra‘ wachsweich, wie Marzipan, so die Konsistenz. Prickelnd am Gaumen durch das Meersalz und die rote Paprika, hier nicht nur einfach und herb-süß, sondern leicht rauchig durch Pimenton de la Vera.
Die Fische
Mittags angelandet, abends perfekt zubereitet, vor allem wenn der Fisch im Ganzen gegrillt wird. So bleiben Konsistenz und Geschmack wunderbar erhalten, egal ob der Sägebarsch, die Meerbrasse oder der ‚Knallrote‘, der Fula de altura. Ein Wunder an Geschmack, zartes weisses Fleisch, leichte Süße umspült von einem sanften Meeresrausch.
Auch hier passte, wie eigentlich immer, ein ganz besonderer Weisser – von der Nachbarinsel Lanzarote.Ein Malvasia, herrlich trocken, voller fruchtiger Aromen, frisch, leicht, elegant.
Eine besondere Spezialität: Cabrito, das Symbol von Fuerteventura, das Zicklein. Langsam und lange geschmort – ein Traum von Geschmack, kräftiger als bei unserer Ziege, manchmal auch fester, weil die Tiere ja permanent im kargen Umfeld unterwegs sind – aber ein absolutes ‚Muss‘. Unbedingt vorbestellen.Es lohnt sich übrigens immer, mit dem Chef zu sprechen und so in den Genuss wunderbarer Überraschungen aus der regionalen Küche zu kommen.
Dazu ein excellenter Roter, ein Ribera del Duero,1989, Pena falcon, Siglo XI – 24 Monate in Eichenfässern gereift, ein reinrassiger Tempranillo. Perfekt.
Das Ende führt wieder zum Anfang, zu Miguel de Unamuno und zu einem seiner Aphorismen
‚Der größte Narr ist der, der in seinem Leben noch nie ein Torheit begangen hat.‘ Wir haben die Torheit des Genusses auf Fuerteventura begangen – eine wunderbare Torheit.
*Werke von Unamuno auf Deutsch
- Tante Tula. [Aus dem Spanischen übersetzt von Otto Buek mit einem Nachwort von Klaus Ley, Ullstein-Buch Nr. 30136, 1982; ISBN 3-548-30136-3
- Nebel. [Aus dem Spanischen übersetzt von Otto Buek, rev. nach der 3. Ausgabe des Orig. von Roberto de Hollanda und Stefan Weidle]. Frankfurt/Main; Berlin: Ullstein, 1996; ISBN 3-548-24035-6
- Ein ganzer Mann. Drei Nivolas. Aus dem Spanischen von Wilhelm Muster. Ravensburg: Peter Selinka, 1989.
- Plädoyer des Müßiggangs. Ausgewählt und aus dem Spanischen übersetzt von Erna Pfeiffer. Graz-Wien: Literaturverlag Droschl, 1996 (= Essay, 31). ISBN 3-85420-442-6
- Selbstgespräche und Konversationen. Ausgewählt und aus dem Spanischen übersetzt von Erna Pfeiffer. Graz-Wien: Literaturverlag Droschl, 1997. ISBN 3-85420-453-1
- Das Martyrium des San Manuel. Drei Geschichten zur Unsterblichkeit. Mit einem Nachwort von Erna Pfeiffer. Berlin: Ullstein-Verlag, 1998. ISBN 3-548-24259-6
- Wie man einen Roman macht. Aus dem Spanischen übersetzt von Erna Pfeiffer. Graz-Wien: Literaturverlag Droschl, 2000 (= Essay, 42). ISBN 3-85420-543-0
2 empfehlenswerte Reiseführer: ‚Marco Polo – Fuerteventura‘ (aus ihm auch der Hinweis auf Unamuno) und ein absolutes Muss: National Geographic Spirallo ‚Fuerteventura‘ ( auch noch Gran canaria und Lanzarote) – gute, knappe Artikel, wertvolle Hinweise, Touren, Essen und Trinken, Unterkünfte. Der Vorteil des Spirallo Systems- alles läßt sich wunderbar umklappen, erleichtert den Überblick, ein unentbehrlicher Wegbegleiter.
(Fortsetzung mit einigen empfehlenswerten Adressen auf Fuerteventura folgt)