Der Kursaal zeigt sich als Ort der Erinnerung an vergangene Zeiten. Halbrunde Bogenfenster, dunkelblaue Fensterschals, Parkettboden, dunkelbraune Verkleidung an der Podiumsfassung, ein großer Kristalllüster, Kunstblumen an runden Seitenlampen. Der Saal ist voll, sehr viele Einheimische, Bewohner des Gasteiner Tals und Kurgäste. Es geht nicht um die Vergangenheit, sondern um Gegenwart und Zukunft der Ernährung. ‚Ist Bio wirklich besser‘, die Fragestellung beim dritten Ernährungs-Symposium ‚Anständig essen‘. Ein hochkarätiges Podium hebt den Erwartungshorizont: Andrea Heistinger, Agrarwissenschaftlerin – Roland Düringer, Kabarettist – Martina Hörmer, verantwortliche Geschäftsführerin bei REWE für die Biomarke ‚Ja! Natürlich‘ und Walter Eselböck, Gastronom, Hotelier, einst 2 Michelinsterne, 19 Punkte beim Gault Millau.
Bio als Sehnsucht nach Sicherheit, Gesundheit , Bio als ethischer und moralischer Kredit. Diesen Kredit verspielte schon mal Martina Hörmer, in dem sie das Forum als Plattform für billigste und anspruchsloseste Werbung nutzte. Roland Düringer bedankte sich denn auch sarkastisch für die Werbepause. Er selbst versuchte den Blick auf das Ganze, beklagte den Verlust der Demut vor der Natur, den Wunsch nach ständigem Wachstum. Kabarettisten kann man nicht zitieren, man muss sie erleben, genießen. Das wenigstens gelang mit einer Melange aus Sarkasmus, Bitterkeit, Zynismus und Gradlinigkeit. Österreichische Tradition in der Linie eines Karl Kraus, eines Helmut Qualtinger, eines Thomas Bernhard. Aber die Kernfrage blieb unbeantwortet: ist Bio besser. Heile Worthülsen, die Erkenntnis, dass man nichts weiß. Walter Eselböck zeigte sich fast zornig resignativ:‘ für mich zählt am Ende die Qualität‘. Gibt es die in der Region nicht, dann zählen auch wieder die traditionellen Methoden und Produkte aus dem Ausland. Jemand erinnert an den Stuttgarter Meisterkoch Vincent Klink und seinen Ausspruch: hauptsächlich es schmeckt! Ich mache den ganzen Zirkus nicht mit.
Also im Nichtwissen war man sich einig, Bio kann gut sein, muss es aber nicht. Ob es besser ist verrät keine Untersuchung, keine Statistik. So endete es wie das Hornberger Schießen, wurden Eulen nach Athen getragen. Horaz blieb Sieger mit seiner ‚Ars poetica‘: der Berg kreißte und gebar eine Maus.
Übrigens gilt das auch für den nächsten Abend mit dem Gasteiner Meister-Menü. Gastkoch war Konstantin Filippou, Shootingstar der Wiener Spitzengastronomie. Sein Anspruch: ‚ Ich bin ein europäischer Koch. Aus Gastein hole ich mir beste Bio-Produkte und kombiniere sie mit frischen mediterranen Akzenten.‘ Theorie. Die Praxis war eine große Enttäuschung – 99 Euro für das 5-Gang- Menü, 45 Euro für die Weinbegleitung von Eduard Tscheppe, die allerdings sensationell war: naturbelassene Weine, ein Schaumwein aus der Pinot Noir Traube, noch kein Gesicht – aber auf einem Weg zu einer herrlich, harmonischen Struktur/ ein auf der Schale vergorener grüner Veltliner und ein Weissburgunder Cuvee/ eine eigene Rebe nur für den Rose, nachgegart auf der Flasche aus Zweigelt und Blaufränkisch/ ein Cuvee aus 80% Rösler!!!! und Blaufränkisch.
Ja und das Menü: keine klaren Linien, keine schmeckbaren Strukturen, keine ansprechende Ästhetik. Wo sich eigentlich immer mehr die Linie bei Spitzenköchen durchsetzt: 1 Produkt im Mittelpunkt und maximal 3 begleitende Elemente. Hier ad absurdum geführt mit einer Vielzahl von Produkten, die sich einfach nicht entfalten können, nur verwirren, keine Sprache zum Gast finden. Zunge und Käseschaum, Wachtel und Entenleber ( keine Geschmacksharmonie), schlecht pariertes Bries, geschmacksneutrale Flusskrebse.