Es ist schon fatal: eigentlich mag ich ihn sehr, schätze seine Offenheit, seine Natürlichkeit, seine unbestrittene Kochkunst und dann: Omnipräsenz in den Medien , Werbung, Werbung, Werbung, bis hin zum unverzeihlichen Sündenfall „Knorr“ und nun auch noch das: da fast alles was gut oder schlecht ist in der Zwischenzeit vermarktet worden ist, da fast alle, die kochen können in der Zwischenzeit mindestens ein Kochbuch geschrieben haben, fällt es naturgemäß immer schwerer wenigstens einen Hauch von neuem zu finden. Alexander Herrmann,1 Michelin Stern, 17 Punkte und 3 Hauben im Gault Millau versucht einen ganz neuen Dreh, die „Verwissenschaftlichung“ seiner Tätigkeit , Kochen als Drahtseilakt zwischen Top Ten, Parameter, Fokus und Diagramm – so entsteht das neue Verkaufsschlager-Wunder, das Küchen IQ – Kochbuch. Sie (Herrmann und seine Mitstreiterin Nina Holländer, Werbekauffrau) gingen zur Collection Heyne mit dem Plan, kein neues Kochbuch zu schreiben. Allen ambitionierten Hobbyköchen sollte das Know-how zugänglich gemacht werden, das sonst nur hinter verschlossenen Küchentüren der Spitzengastronomie zu finden ist. Ein „Küchen-IQ“ – oder auch kulinarische Intelligenz. „So viel Einblick in die Arbeit eines Sternekochs , wie es ihn noch nicht gegeben hat“. Weniger Anspruch wäre mehr gewesen, denn das grenzt schon leicht an Etikettenschwindel oder hat die kochende Menschheit ohne „so viel Einblick“ noch nichts davon geahnt, dass die Konsistenz bei einem Kartoffelsalat essentiell ist, dass der ‚Alleskönner‘ Kartoffel gut mit Röstaromen leben kann und schnell knusprig wird ( Achtung: schon sind wir hochwissenschaftlich bei der Bratkartoffel), oder dass die Erdbeere Stabilität und Standfestigkeit mit sich bringt. Ein wahrlich preiswerter Wissenschaftskurs für 35€. Ohne Kreise, die wie eine Schießscheibe aussehen, ohne Pfeile, ohne Kreuze, Ringe und Sternchen, ohne die Verbrämung eines nachvollziehbaren Anspruchs – noch ein Kochbuch auf den Markt zu bringen – wäre das 272 Seiten starke Opus culinaricus ein kleines Schmuckstück, Zierde eines jeden Bücherbordes, elegantes Geschenk. Gute Seiten gibt es nämlich wirklich, hinter der Fassade: die Erläuterungen unter dem Stichwort „Fokus“ sind wichtig, gut und hilfreich und dass Alexander Herrmann kochen kann, dass er fantasievoll mit der Region, der Saison und den Produkten umgeht, spürt man auf jeder Seite. Wer einmal seine Entenbrust, rosa gebraten mit Linsen-Essig-Sud nachgekocht hat, der spürt welch Potential in Herrmann steckt: die Brust ohne Fett angebraten, dann bei 100° in den Ofen und dann noch einmal ohne Fett auf der Hautseite nachbraten: ein Vergnügen an Knusprigkeit. Der Kick: etwas Butter mit Zimtstange in die Pfanne zur Ente geben. Leben wir mit dem Zwiespalt. Vielleicht ist ja in den Folgebänden „Menükreation“ und „Anlasskreation“ mehr die kochkünstlerische Seite eines Alexander Herrmann zu spüren und zu lesen als die Handschrift von Nina Holländer und ihr Studium der Werbepsychologie und der Interkulturellen Kommunikation.
Kommentare sind geschlossen.