Das war ein großer Abend für Matthias Gleiß, die Ehrung als Aufsteiger des Jahres durch Berlin Partner bei einer furiosen Gala im Berliner InterConti. Ein modern gestalteter großer Saal, helle Möbel, licht, transparent. Scheinwerferbrücken, Atelieratmosphäre. 350 geladene Gäste, drei Kochinseln, in denen die Ausgezeichneten sich präsentierten. Matthias Gleiß zum Beispiel mit einem Feuerwerk aus Stör, Krebs und Kohlrabi; sowie Kalb, Blutwurstravioli und Quitte. Eine eindrucksvolle Bestätigung seiner Kunst und Kreativität. Aber :Matthias Gleiß und Aufsteiger ? Ein Mann, der sich in Berlin schon einen Namen erkocht hat, ein Mann, der mit Winkler und Jäger gearbeitet hat, ein Aufsteiger? Aufsteiger ist etwas Wertvolles, ist etwas Kostbares. Bei Matthias Gleiß sind es verschiedene Faktoren, die zusammenkommen: Ein Arbeitsplatz, den er formte und neu gestaltete, ein Gebäude mit großer Tradition und bedeutender Industrieästhetik, das alte Umspannwerk in Kreuzberg am heutigen Paul-Lincke-Ufer, ein architektonisches Gesamtdenkmal. Eine beeindruckende Atmosphäre allein schon durch die bauliche Substanz . Hohe Decken im ehemaligen Umspannwerks, mächtige Stahltreppen zu den höher gelegen Tischen, Backstein-Wände. Dunkles Holz, riesige runde Kupferlampen, kein Ort der Stille sondern eine Begegnung mit lärmerfüllter Kulisse. Szene und Schauspiel. Sehr behutsam, sehr liebevoll, sehr detailversessen hat es Gleiß gestaltet, ein neuer Name,“VOLT“, damit klar ist, welche kulinarische Hochspannung herrscht, ein neues Lichtkonzept, neues Interieur, neue Seele und Leben. Tradition trifft auf das 21. Jahrhundert. Eine neue Ästhetik der Wahrnehmung und damit auch eine neue Ästhetik des Geschmacks. Das ist ein weiterer Faktor für die Auszeichnung ‚Aufsteiger‘: Gleiß hat seinen Küchenstil noch einmal verändert, ausgeweitet, intelligenter gemacht, spannender und interessanter: Erwartungen, Erfüllungen, neue Erlebnisformen, Ungewohntes, Irritierendes, Intensivierung. Seine handwerkliche Basis war schon immer hervorragend, jetzt aber kommt eine kreative Entwicklung dazu, die einfach entzückt, begeistert. Traditionelles, aus der Kindheit, aus Erzählungen unter Verwendung moderner Verfahrensweisen, leichter, besser, eleganter. Essen als Kunst. Ein Aufsteiger, der bereits in der Champions League spielt. Auf der Karte tauchen die einzelnen Elemente auf, also nur: Imperial-Wachtel – gebratene Wachtelbrust, Pilz-Polenta Salat, Sherry, Karotten-Ingwerauszug. Der Herbst in Reinkultur durch die Pilze, Sherry, Karotte und Ingwer geben eine ungewöhnlich herzhafte Aromatik, die zur Jahreszeit passt, wunderbare Akzente setzt in der Optik und Im Geschmack. Dann ein Havelländer Räucher-Aal, ein Törtchen vom Fisch, ein Safrangelee, Tomate und Fenchel: Kindheitserinnerung. Schon als kleiner Junge mag er Aal, den der Vater selbst frisch räucherte, Erinnerung durch Düfte, durch Gerüche. Das Safrangelee mit Weisswein ideal zum etwas deftig , fettem Fisch, Dazu die ungewöhnliche frische Geschmackskomponente durch den Fenchel. Gleiß scheut sich nicht vor Innereien, ein Produkt, ein Tier besteht durch seine Gesamtheit und nicht nur durch Edelstücke. Sein Paradebeispiel: Bries und Zunge leichte Röstaromen beim glacierten Bries, die Zunge mariniert mit Kürbis, Kürbiskernen und Schnittlauch Öl. Wild aus dem Umland, Brandenburg liefert tolle Ware. Ein Fürstenberger Rehrücken mit gebratener Blutwurst, Selleriepüree, Pfifferlingen und Portweinschalotten. Edles und Robustes, Teures und Einfaches, samtige Zartheit und krosse Veredelung. Die Sehnsucht der Menschen nach den traditionellen Produkten aus Deutschland ist gerade beim Essen wieder da ist .Es ist die Sehnsucht nach einem tollem Produkt, zubereitet mit den Mitteln der Gegenwart. Alte Rezepturen werden neu interpretiert, lichter, eleganter. Kreativität ist für Gleiß etwas spontanes, entwickelt sich durch Ereignisse in der Natur, die er miterlebt, kann aber auch visuell etwas aus dem Modebereich sein, bestimmte Farben und Formen, die ihn dann faszinieren und die er in seiner kunstvollen Kulinarik umsetzt.
Zum Gesamt- Koch- Kunstwerk Gleiß gehört der Mensch. Auch wenn es abgedroschen klingt, die Augen sind der Spiegel der Seele, schauen sie diesem Mann in die Augen: sie erleben, Fröhlichkeit, Offenheit, Wagemut, Risiko, Nachdenklichkeit, Ehrlichkeit. Seinen guten Geschmack beweist er in diesem Jahr in den Ferien, als er und seine Partnerin heiraten. ‘ Meine Frau hat Nerven aus Drahtseilen‘ erzählt er, ‚was sie alles möglich macht, das ist schon unglaublich und ich bin ihr sehr dankbar und sage es ihr auch täglich‘. ‚Hoffentlich‘ merkt er an. Familie, seine 4 Kinder sind sein ein und alles in der spärlichen Freizeit. Neulich hat er wenigstens vormittags mit ihnen Fußball gespielt und Verstecken. Zeitungen und Zeitschriften sind ein seltenes Gut, Kino mal mit den Kindern, gerade ‚Cars 2‘, er selbst braucht das größte Kino und die dicken Katastrophen Brummer, in denen die halbe Welt untergeht, deshalb auch sein letztes gelesenes Buch: Frank Schätzing ‚Der Schwarm‘: Angriffe aus dem Meer, Wale, Quallen, Krebse, ein Tsunami verwüstet Nordeuropa. Wiederaufbau, Neubesinnung. Gleiß war bei der Geburt seiner Kinder dabei, ‚etwas einmalig Prägendes‘, sagt er, die Geburt eines Gerichtsdagegen ist Vergänglichkeit. Sachen zulassen, die einem Spaß machen ist seine Lebensphilosophie, sie einfach erleben zu dürfen, das Leben auf sich zukommen lassen, es so erfahren wie es ist .
Fotos: Volt und jschi
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