Und wieder schlägt die Szene erbarmungslos zu. Blankgescheuerte Holztische (natürlich designed),keine Tischdecken, keine Stoffservietten, Besteck etwas willkürlich unwillkürlich drapiert, Sitzgelegenheiten, die spätestens nach einer Stunde zur nächsten orthopädischen Behandlung führen. Darüber vergisst man leider, dass der Besitzer Architekt ist ,sicher viele interessante Akzente gesetzt hat, die durch den ersten Eindruck leider verloren gehen– aber das ‚Martha’s‘ ist eben in!! Schöneberg hat seine‘ Mitte‘ und die kommt jetzt auch vorbei, weil sie hier wieder unter sich ist und nicht Schau- und Ausstellungsstück für Touristen.
Die Küche lässt einiges erwarten, immerhin hat Manuel Schmuck Sternelast auf seinen Kochschultern, durch das Berliner ‚Reinstoff‘ und das Wiener ‚Steiereck‘ – alles 2 Sterne!!
Oktopus ‚Hausfrauenart‘
Der Oktopus ist sterneverdächtig – auf den Punkt gegart, sous-vide, samtener, zarter Schmelz. Gewürzt mit einem Melange Noir, einer Pfeffermischung aus drei verschiedenen schwarzen Pfeffern: Pfeffer schwarz, Kubebenpfeffer, Pfeffer lang. Am Gaumen ein wunderbares, interessantes, herrliches Prickeln. Getrocknete Apfelscheiben sind eine sanfte Aromabombe, die sich charmant mit einem ÜberraschungsEspuma aus Knäckebrot verbindet. Eine Super Idee. Die Gurke setzt Kontrapunkte, durch einen Stangensellerie-Apfel-Gurkensud, ergänzt von Sellerieschleifen und Selleriecrumble. Hier beweist Manuel Schmuck, dass er mit Aromen und Texturen meisterlich umgehen kann, dass er Produkte fast zärtlich behandelt.
Ein weiteres Glanzstück aus der Vorspeisenpalette, das bunte Huhn
Das Schwarzfederhuhn‘ Label Rouge‘ ist der Star auf dem Teller. Die Feinheit seines Geschmacks ist legendär, sein Fleisch fest, mit einem leicht würzigen Geschmack in einer feinen, knusprigen Haut nach dem Garen. ‚Label Rouge‘ ist ein Gütesiegel für hochwertige Lebensmittel aus Frankreich, 1965 auf Veranlassung französischer Geflügelproduzenten geschaffen, die mehr Wert auf eine traditionelle und naturnahe Tierhaltung legen. Der Mehrwert lässt sich auch schmecken als dünn aufgeschnittene Brust und einem mit dem vollen Geschmack strotzenden dickeren Stück.
Das Huhn übrigens gebeizt mit Tandoori und Bohnenkraut – wunderbar. Bunte Brechbohnen, eingelegter Rhabarber, weiße Bohencreme und ein Quinoa Salat schaffen eine unübliche Aromatik, in solcher Harmonie habe ich das noch nicht erlebt. Die Vielfalt der einzelnen Elemente wird zum harmonischen Ganzen.
Witziges Zwischenspiel dann durch ein Lamm-Leberkäse-Sandwich
Das macht einfach nur Spaß, weil Lamm-Leberkäse eben ungewöhnlich ist, weil der Geschmack ausdruckstark ist, weil das Ganze in einem selbstgebackenen Laugenzopf steckt, veredelt durch schwarzen Senf , schärfer als die weiße Senfsaat, vielleicht ein korrespondierender leicht bitterer Geschmack. Dazu ein Kohlrabi-Salat mit Röstzwiebeln und eine leckere Kümmel-Vinaigrette. Schmuck spielt hier Roulette und gewinnt.
Bei der nächsten Runde erhöht sich der Einsatz durch Jetons wie Adlerfisch, Nudelsalat, Aubergine, bunter Mangold.
Der Adlerfisch hat festes weißes, zartes Fleisch. Sowohl äußerlich also auch vom Geschmack her ist er mit dem Wolfsbarsch vergleichbar. Der in freier Wildbahn bis zu 2m lange und 75kg schwere Fisch ist ein geschickter Räuber, ernährt sich von Garnelen und Fischen. So kommt es auch im Geschmack rüber. Der Fisch ist optimal gegart, keine Sekunde zu lang, denn dann wird er sehr schnell zäh und fest – nein hier entfaltet sich das volle Aroma genussvoll am Gaumen. Der Nudelsalat mit Kokosmilchvinaigrette ist ein ausgezeichneter Beifang, genauso wie das Auberginenpüree. Dann leider der geschmackliche Absturz, die Sauce einfach zu stark reduziert, zu massiv, zu geschmacksintensiv- der arme Fisch wusste nicht mehr, welch‘ super Eigengeschmack er hat. Der Gast übrigens auch nicht.
Maibock, Rübengemüse, Rote Bete Knödel
Auch hier wieder hervorragende Produkte, auf den Punkt gegart und dann auch hier der unglaublich stark reduzierte Fond, der alles erdrückt. Ein bisschen weniger wäre geschmacklich ein Gewinn. Der peinlichste Ausrutscher waren für uns hier allerdings die Rote Bete-Schwarzkümmel-Germknödel: fast zäh, geschmacksarm, sicher hübsch anzuschauen, aber ein Muster ohne Wert.
Der Besitzer, Ulf Bohne, ist ein hervorragender Gastgeber, der Service aufmerksam, freundlich, volle natürliche Konzentration auf den Gast – da vergisst der Ischiasnerv schon mal das Zwicken.
Martha’s Grunewaldstraße 81, Schöneberg,
Tel. 78 00 66 65, Di–So 16–1.45 Uhr,
Küche bis 22.30 Uhr, www.marthas.berlin