Der ehemalige Chefdirigent der New Yorker Philharmoniker und Leipziger Gewandhauskapellmeister starb im Alter von 88 Jahren in den USA. Er galt als einer der größten Orchesterchefs unserer Zeit.
Dirigent Kurt Masur ist am Samstagmorgen im Alter von 88 Jahren in Greenwich, Connecticut gestorben. Von 1991 bis 2002 war Masur Musikalischer Leiter des New Yorker Philharmonieorchesters.
Die New Yorker Philharmoniker würdigten in einer Stellungnahme Masurs Lebenswerk. Während seiner elfjährigen Zeit als Chefdirigent des renommierten US-Orchesters habe Masur neue Standards gesetzt und ein Vermächtnis hinterlassen, dass immer noch nachwirke, erklärte ihr Präsident Matthew VanBesien.
Der Dirigent, der von 1970 bis 1996 Kapellmeister im Leipziger Gewandhaus war, gehörte im Herbst 1989 zu den Unterzeichnern des Aufrufes „Keine Gewalt“, mit dem Montagsdemonstranten und Staatsgewalt zum Dialog aufgefordert wurden. Er wurde zur politischen Symbolfigur, zum „Dirigenten der Revolution“. Weltweit wurde mit dem Titel ein Künstler gefeiert, der sich eingemischt hatte, als die Menschen in der DDR auf die Straßen zogen und ihr Lebensmotto gegen das SED-Regime skandierten: Wir sind das Volk.
Allerdings verwahrte er sich stets dagegen, als „Held“ der Friedlichen Revolution dargestellt zu werden. „Ich hatte genauso Angst wie alle und musste sie genauso überwinden, denn es war damals eine Situation, die uns das Fürchten gelehrt hat“, so der Star-Musiker im vergangenen Jahr anlässlich des 25jährigen Jubiläums des Mauerfalls. Er rief dazu auf, jährlich an das Geschehen von 1989 zu erinnern, um den Frieden- und Freiheitsgedanken öffentlich wach zu halten.
Die Leuchtkaft des Gewandhauses
Kurt Masur nutzte sein politisches Netzwerk dazu – bis hin zur Duzfreundschaft mit Staats- und Parteichef Erich Honecker – den unblutigen Verlauf der Freiheitsbewegung zu sichern. An die Spitze des Leipziger Gewandhausorchesters gelangte Masur 1970, da war er, 1927 im schlesischen Brieg geboren, längst ein erfahrener Dirigent, der die typische deutsche Kapellmeisterlaufbahn absolviert hatte.
Ausgebildet am Klavier und Dirigentenpult zunächst in Breslau, dann am Leipziger Konservatorium, begann er als Theaterkapellmeister in Halle, ging nach Erfurt und wurde Generalmusikdirektor in Schwerin. Danach folgte er dem Ruf des legendären Walter Felsenstein an die Komische Oper Berlin, wo er Chefdirigent von Felsensteins realistischem „Musiktheater“ wurde. Aber Masur wollte bald nur noch Konzertdirigent sein, als solcher ging er nach Leipzig.
Gewandhauskapellmeister – der Titel, den schon Felix Mendelssohn Bartholdy trug, besaß in der DDR, besitzt bis heute Leuchtkraft. Kurt Masur stand dort ein Vierteljahrhundert an der Spitze, er und das Orchester wuchsen zu einer Einheit, einer kunstpolitischen Risikogemeinschaft zusammen – inmitten eines ökonomisch und ideologisch zunehmend prekären „Realsozialismus“.
Mehr als 2000 Konzerte hat Masur mit dem Klangkörper bestritten, den Bau eines Neuen Gewandhauses am Augustusplatz befördert, die Räume geöffnet für politische Debatten, für Jazz, Ausstellungen. Die Tourneen in viele Länder, die Schallplatten verbreiteten das neue Ansehen des Gewandhausorchesters in der Welt. Und Masur garantierte den künstlerischen Bestand des vor allem deutschen Repertoires von Klassik, Romantik und Spätromantik, ohne dass er die russische Symphonik vernachlässigt hätte. Er feilte an der spieltechnischen Qualität des Orchesters, er wuchs mit seiner leicht bärbeißigen Natur zur Vaterfigur empor.
In fortgeschrittenem Alter litt er an der Parkinson-Krankheit. Im Frühjahr 2012 brach er sich bei einem Auftritt in Paris das Schulterblatt. Ein Jahr später stürzte er in Tel Aviv und brach sich die Hüfte. Bis zu seinem Tod war er Ehrendirigent in Leipzig.
Die Beisetzung soll nach Angaben der New Yorker Philharmoniker im privaten Kreis stattfinden. Zudem soll es eine öffentliche Gedenkveranstaltung geben.