Vergessen sie italienische Standardküche, Siziliens Küche ist anders, ist die Summe der kulinarischen Vorlieben aller fremden Herren und all ihrer Köche, die seit Jahrhunderten in Sizilien heimisch wurden. Da ist die Liebe zu Farbe, zu Kreativität und Phantasie, scheinbar gewagte Kombinationen von süß, salzig, scharf und sauer entwickeln eine Eigenständigkeit, eine harmonischen Einheit. „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele; hier ist erst der Schlüssel zu allem.“ Goethe schreibt das 1787 in Palermo. Sizilien anders, Sizilien besser, Sizilien im ‚Studio Tim Raue‘. Nach Japan und Thailand jetzt also Sizilien- und das ist ein kulinarisches Hochfeuerwerk, das Sascha Friedrichs mit seiner Mannschaft abbrennt. Entspannung pur in alter Industriekultur, Backstein, Fabrikrundbögen. Sizilien im Focus: anders als Klischee, die vielfältige Küche wird nicht neu erfunden, aber anders interpretiert, zerlegt und neu gestaltet – und das alles ohne Firlefanz, ohne nutz- und sinnlose Spielereien.
Wir probierten das 6-Gang-Menü
Thunfisch – Bottargasud – Koriander
Ein Thunfisch der Extraklasse als Sashimi, kräftig, elegant, Marzipankonsistenz im Meeresgeschmack. Etwas Bottarga krönt und rundet ab, eine der geschmackvollsten Arten, Sonne, den Süden und das Meer auf den Teller zu zaubern. Fischeier der Meeräschen, luftgetrocknet, mit Salzlösungen behandelt. Die gehobelten kleinen Späne sind wahre Geschmacksbomben. Auch im Sud spiegelt er sich wider, harmonische Ergänzung zur prickelnden Schärfe aus roter Chili und Pfeffer. Die I-Tüpfelchen: Korianderkresse und Goakresse, frischer Zitrusduft und milder Geschmack.
Raviolo di mare – Zitronenöl – Perlzwiebel
Ein zarter Mantel, eine elegante Umhüllung für den kräftigen Geschmack der Fülle aus Kalmar und Jakobsmuschel, unterstützt von Rindermark. Das Zitronenöl zaubert fruchtig, lieblich, hat etwas Feines. Sehr gutes Zusammenspiel mit den Perlzwiebeln, leicht, zart säuerlich, eingelegt in Reisessig. Gekochter und frittierter Fenchel: Akzente einer besonderen Geschmacksexclusivität.
Carabinero – Süßkartoffel – Honigtomate
Da muss man erstmal drauf kommen: aus der Süßkartoffel Gnocchis zu machen und die sind ein Hammer!! Geschmack und Konsistenz sind hervorragend – eine Krone für Carabineros, die rote Riesengarnele, die Königin unter den Gambas. Der intensive Geschmack und die tiefrote Farbe machen sie zu etwas ganz außergewöhnlichem. Prächtiger Tummelplatz im Krustentierfond mit leichter Schärfe, verfeinert mit vielen sizilianischen Kräutern.
Salsiccia – Orange – Fenchel
Ein Leckerbissen die pikant gewürzte Bratwurst, hier als Mini: Fleisch und Gewürze überzeugen, eine gelungene Harmonie, Sizilien pur am Gaumen. Optisch schön die rote Zwiebel und die Orangenpunkte. Die Wurst aber ist der Star, überglänzt von etwas Schweineschmalz.
Brasato – Babylauch – Madagaskarpfeffer
Ein Klassiker vom Rind, geschmort in kräftigem Rotwein. Meist als Rinderschmorbraten aus der Keule, ganz fein auch mal vom Filet. Hier nicht, auch hier wieder etwas anders, nämlich als geschmorte Ochsenbacke. Und die ist zart, zerfällt fast am Gaumen, entwickelt eine hervorragende Geschmacksintensität und geschmackliche Tiefe. Samt und Seide. Dafür sorgt nicht nur die Soße mit Balsamico und beef tea,sondern auch der Madagaskar Pfeffer, etwas Besonderes, nicht einfach Pfeffer aus Madagaskar. Er wird nicht angebaut, sondern wächst wild im Urwald Madagaskars, deshalb auch »Urwaldpfeffer«. Normaler Pfeffer wird als Busch oder niedriger Baum angebaut, der leicht abgeerntet werden kann – Urwaldpfeffer wächst als Kletterpflanze und für die Ernte muss man 10 bis 20 m hoch in die Bäume klettern, an denen er sich hochrankt. Die Körner sind kleiner als normaler schwarzer Pfeffer und ein bisschen länglicher. Außerdem hängen die Stielchen noch dran. Madagaskar-Pfeffer ist ein bisschen schärfer als normaler Pfeffer, aber auch viel aromatischer mit Noten von Vanille, Tabak und Holz. Eine Geschmacksexkursion mit Ochsenbacke, Pfeffer und Babylauch.
Cassata Accursio – Mandelmilch – Amalfi-Zitrone
Das ‚Accursio‘, besterntes Restaurant in Modica auf Sizilien, ist der Namensgeber. Hier beweist sich wieder die Neugier, die Entdeckungsfreude, das ‚mit anderen Augen sehen‘ bei Sascha Friedrichs.
Die berühmte italienische Schichttorte aus Sizilien :eine Creme aus Ricotta und Zucker, die abwechselnd mit einer Art Biskuit in eine Schüssel oder Form geschichtet und gut gekühlt, gestürzt und mit einer Glasur aus Zucker oder Schokoladencreme überzogen serviert wird. Kandierte Früchte gehören dazu, eine farbige Zuckerglasur, Pistazien oder Pinienkerne, Stückchen von Bitterschokolade, Zimt, Orangenblütenwasser, Maraschino oder Orangenlikör. Hier das Original
Und hier die ‚Studio Tim Raue‘ Version
Das Biskuit ist da, nur anders (gebacken) – die Pistazie ist da, nur anders (als Gelee) – Ricotta ist da, nur anders (als Mousse) – dazu noch Buttermilchgelee, Schokocreme, Orangen und Amalfizitronensorbet. Altes zerlegt, neu geordnet, neu zusammengesetzt, leichter, lockerer, überraschender, leckerer.
Sizilien anders, Sizilien besser, Sizilien im ‚Studio Tim Raue‘. Dazu noch ein Service, der immer da ist, wenn man ihn gerade braucht, nie zu früh, nie zu spät, nie aufdringlich. Freundlich, gut gelaunt, nichts ist aufgesetzt – Natürlichkeit und Charme, das Geheimnis eines tollen Service wie bei uns durch Susanne Wolf.