Von einem Maschinenbauingenieur, der Winzer wurde.
Das Bild spricht Bände: Klaus Zimmerling, üppige Haarpracht, leichter Bart, blitzende blaue Augen. Neben ihm hölzerne Damen, erschreckter Blick, schlankes Goldbrokat, Pharaonenmütze, überschlank und riesengroß. Es sind Plastiken seiner Frau Malgorzata Chodakowska, der polnischen Bildhauerin. Heitere Einstimmung auf die großen, eleganten Weine von Zimmerling, durchgesetzt gegen härteste Bedingungen. Im östlichsten und kleinsten Weinanbaugebiet Deutschlands herrscht ein raues Binnenklima mit heißen Sommern und kalten Wintern. Im Frühling ist der Frost der große Feind der Blüte, führt häufig zu Ertragsminderungen. Klaus Zimmerling wird damit fertig, sagt, dass gerade diese Extreme den Wein zu einer starken Persönlichkeit machen. Schlanke Weine sind es, mit moderaten Alkoholwerten, gewachsen auf Sand und Lehm ,auf Verwitterungsgestein. Riesling, Grauburgunder, Kerner, Gewürztraminer, Weißburgunder und Traminer geben sich hier auf 4 Hektar Rebfläche die Ehre. Seine Weine sind Landweine, auch wenn die 0,5l Flasche Riesling 15€ kostet. Landwein, das ist eine starke Untertreibung – aber Zimmerling wollte sich nicht mit deutscher Weinbürokratie aus Öchslegraden, prozentualer Sortenreinheit und Labortests herumschlagen. Ein Landwein ist solchen Reglementierungen nicht unterworfen, dafür schmeckt er exzellent , hat in der Zwischenzeit deutsche Spitzenrestaurants erobert und sogar den Weinpapst Hugh Johnson überzeugt, der von auserlesener Spitzenqualität spricht. Der Anspruch, den Zimmerling an seinen Wein stellt, muss nicht prädikatiert werden. Er verkauft nur Wein, der ihm schmeckt. Hier, wo Reben am Rande ihrer Möglichkeiten sind, bekommt der Wein Charakter. Spannend wie seine Weine ist der Lebensweg von Klaus Zimmerling: vom Maschinenbauingenieur zum Winzer. Maschinenbau studierte er an der TU Dresden, bewusst gewählt, weil hier der Keim gelegt wurde, der heute seine Weine bestimmt: für viele Dinge bessere Lösungen in der äußeren Gestaltung und in den Funktionsprinzipien zu finden. Diese Ingenieursweisheit setzte er um mit Experimenten bei Holunder -und Kirschweinen. Bald kam in einem 600 Quadratmeter Rebgarten in Wachwitz der Riesling und der Müller- Thurgau an die Experimentierreihe. Aus der Berufung wurde der Beruf, verfeinert durch ein Praktikum bei der Familie Saahs in Mautern, dem berühmten Nikolaihof. Wichtigste Erfahrung beim Studium des Winzerhandwerks: ein guter Wein entsteht im Weinberg und nicht durch technischen Aufwand im Keller. Mit dem Kauf des Pillnitzer Weinberges 1992 konnte er endlich Theorie in Praxis umsetzen. Seit Juli ist der 2008er auf dem Markt „ sehr, sehr schön, angenehm und eine tolle Qualität“, schwärmt Zimmerling. Beim 09er ist er etwas zurückhaltend, fest steht, dass die Ernte nur halb so groß sein wird, wie 2008. Die Winterfröste haben zugeschlagen, mit bis zu – 30°. Und da sind sie dann wieder, die Skulpturen seiner Frau, die übrigens auch jedes Jahr die Etiketten schmücken. Wein und Kunst eine harmonische Verbindung .Die Skulptur, Zimmermanns große Liebe neben dem Wein und seiner Frau. Schmuckstücke auch im neuen Weinkeller, fast ein Weintempel mit Säulen, Lehmverputz, ein Brunnen mit Lichtspielen und überall Skulpturen. Die Veredelung des Landweins durch Zimmerling und Malgorzata Chodakowska.
Von einem Prinzen, der Geschichte schrieb
Es war eine fröhliche rotarische Runde, die sich im Weinbergshäusschen vergnügte. Ein leichtes saisonales und regionales Menü und dazu die wunderbaren Weine vom Schloss Proschwitz, Riesling, Elbling, Traminer, Scheurebe, Grau- und Weißburgunder. Der Blick ist traumhaft schön, die Hänge mit den Weinstöcken hinunter ins Tal, die Elbe und am anderen Ufer als schattenrisshafte Kulisse die Albrechtsburg mit dem Meißener Dom. 13 verschiedene Rebsorten, die hier angebaut werden, verklären den Blick. Elegant sind sie, leicht verspielt oder tiefe Dichte und Struktur beim Dornfelder. Der rote Granitfelsen, der von einer bis zu 6 Meter mächtigen Lößschicht bedeckt wird, ist die Grundlage der Proschwitzer Reben. Die Böden werden regelmäßig untersucht, die Bewirtschaftung erfolgt nach den Richtlinien des kontrolliert umweltschonenden Weinbaus. Pflanzenschutzmittel sind fast unbekannt und wenn ,dann nützlingsschonend. Der Wohlfühlfaktor im Weingut Schloss Proschwitz, dem ältesten und größten privaten Weingut Sachsens, ist beachtlich. „Wir sehen im allgemeinen nur die Hülle der Dinge“, sagt Saint-Exupéry, „und bedenken nicht, dass das Wesentliche unsichtbar ist“. Hier geschieht ein Wunder, Begegnungen in einer Hülle, die das Wesentliche, nämlich Gastfreundschaft, Behaglichkeit und gute Küche vereinen. Leichtigkeit im Dasein, Fröhlichkeit beim Genuss. Perfekt wir die Geschichte durch den Besuch des Hausherren, Dr. Georg Prinz zur Lippe. Leicht, locker, unprätentiös. Gastgeber vom Herzen. Und dann seine Geschichte, wie er nach der Wende unter erheblichen Schwierigkeiten und Widerständen das Weingut seiner Familie Schritt für Schritt zurückkaufte. Behutsam, einfühlsam und immer fair den Menschen gegenüber. Die Geschichte des Prinzen als Geschichte einer Verständigung und Aussöhnung. Prinz zur Lippe als eine Art Luciano De Crescenzo . Der schreibt in seiner „Geschichte der griechischen Philosophie“: „Auch Euripides und Perikles lehnten es stets ab, in Gesellschaft zu trinken und an Festgelagen teilzunehmen, weil sie fürchteten, mit einem Lächeln auf den Lippen erwischt zu werden. Aber diese Abneigung gegen das Lachen ist heute noch sehr verbreitet. Man braucht sich nur einmal das Verhalten der Intellektuellen anzusehen, wenn sie im Fernsehen interviewt werden (…). Zum Glück gibt es auch hin und wieder Leute wie Einstein oder Bertrand Russell, und der Himmel der Kultur färbt sich wieder blau.“ Ein Abend in dieser Runde ist lebendige Erinnerung, gewürzt mit einem der außergewöhnlichen Brände.
Von Exoten, die eine Region veränderten
Knapp 160 km sind es von Meißen nach Naumburg, die Fahrt in die nördlichste Weinbauregion Europas. Das rauhe Kontinentalklima und die Fröste im Frühjahr begrenzen die Rebkulturen auf wenige, ausgesuchte Standorte. Weinbau ist eigentlich nur möglich, weil die meist früh reifenden Rebsorten die mikroklimatischen Vorteile der Südhänge in den Flusstälern nutzen. Es ist ein kulturhistorisch äußerst interessantes und landschaftlich hinreißendes Städtedreieck von Freyburg, Bad Kösen und Naumburg mit einer 1000jährigen Weinbaugeschichte. Bei den „Weißen“ dominieren Müller-Thurgau und Weißburgunder, ergänzt durch Silvaner und Riesling, bei den „Roten“ Portugieser und Dornfelder. Roßbach, ein idyllisches Dörfchen, im Dorfkern ein historischer Bauernhof aus dem Jahre 1256, Herzstück des Weinguts Herzer. Im Innenhof ein Tisch mit einer leckeren Ziegenquarkterrine. Andrea Herzer empfiehlt dazu einen sehr frischen, angenehmen Wein, einen Silvaner „eine ganz traditionelle, typische Rebsorte hier in unserer Region Saale-Unstrut. Bei uns im Weingut steht sie etwa so an dritter Stelle im Anbau, ein sehr schöner Trinkwein“. Andrea Herzer hat das Sagen – schließlich war sie schon mal Weinkönigin und kennt Ihre Tröpfchen. Das nördlichste geschlossene Weinanbaugebiet Europas erlebt eine Renaissance. „Mein Vater“ – erzählt sie – „hat seit 1961 einen kleinen Weinberg hier in der Region und da hab ich schon von Kindesbeinen an damit zu tun – war 1991/92 hier in der Region die amtierende Weinkönigin und bin dadurch eigentlich erst richtig zum Wein gekommen. Später habe ich dann meinen Mann kennengelernt, der nicht hier aus der Region kommt , sondern aus der Pfalz und er hat den Beruf gelernt, hat danach noch studiert und wollte eigentlich mal so‘n bisschen Abenteuerurlaub im Osten machen und heute sagt er ein bisschen ketzerisch: der Wein hat ihn gelockt und das Weib hat ihn gehalten“. Ein bisschen gelten sie schon als Exoten, die jungen Winzer, aber immer mehr wagen sich gerade hier an das Rebenhandwerk- eine echte Herausforderung. Martin Luther soll ihn erfunden haben, den Spruch: wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang. Leider hat gerade ein Wittenberger Historiker nachgewiesen, dass das Zitat nicht vom Reformator stammt – dafür aber deftigeres: Es wird mit dem Bier so viel Gerste verdorben, dass man damit ganz Deutschland erhalten könnte, und soll es also verderben, dass wir so schändliche Jauche draus machen, welche wir danach an die Wand pissen. Deftig, deftig der hohe Kirchenherr aber auch versöhnlich: Wein ist gesegnet und hat das Zeugnis in der Heiligen Schrift.
Von einem Wirt, der Wunder schaffte.
Usedom, magisch musischer Name, eine Symphonie aus Wind, Wellen und Wehmut. Usedom eine Insel der Kunst, der Künstler, der Ideen. Da ist Peter Noack – fast schon Wahrzeichen der Insel. Er hatte die Idee mit dem Boot, dem kleinsten schwimmenden Gourmetrestaurant, Wassertaxis in Florida und Mexiko als Vorbild, in Eigenarbeit in der Wolgaster Werft gebaut. Gelebte und erfolgreiche Eigeninitiative. Peter Noack, Chef im Restaurant „Waterblick“ am Achterwasser in Loddin.
Erfinder der Wikinger – Abende, Erfinder des Usedomer Aquavits, der Mann mit der Idee vom nördlichsten Weinberg Deutschlands- hinterm Haus, am Achterwasser. 1998 war die Idee, 2002 wurden die ersten Trauben geerntet. 99 Rebstöcke, Cabernet Sauvignon und Chardonnay, trocken ausgebaut. Je nach Wind- und Wetterlage erblicken jährlich 50- 80 Flaschen eines überraschend gut schmeckenden Rotweins das Insellicht. Bei Blindproben landet er nie auf dem letzten Platz. Das „Loddiner Abendrot“, eine Inselverführung.
Der Sandboden hinterm Haus durchsetzt mit Muschelresten und die Südhanglage bieten ideale Wachstumsvoraussetzungen. Dazu fast 2000 Sonnenstunden im Jahr und eine steife Brise gegen Staunässe. 13% und die kräftige, brillante rubinrote Farbe, der schmelzende Karamelgeschmack, dazu eine ausgezeichnete Fisch- und Fleischküche und der prächtigste Sonnenuntergang der Insel – da ist sie wieder die Symphonie aus Wind, Wellen und Wehmut.
Jürgen Schiller
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